Berthold ALTANER, Patrologie: Leben, Schriften und Lehre der Kirchenvater. Freiburg-Basel-Wien: Herder (1966) pp. 148-163.
Quintus Septimius Florens Tertullianus wurde um 160 zu Karthago als Sohn eines heidnischen römischen Hauptmanns geboren. Er erhielt eine gute wissenschaftliche, insbesondere juristische Ausbildung und rednerische Schulung. Auch die griechische Sprache war ihm vollständig geläufig. Ob er mit dem in den Pandekten zitierten gleichnamigen Juristen identisch ist, bleibt umstritten. Um 195 ist er aus Rom, wo er Rechtsanwalt war, als Christ in seine Vaterstadt zurückgekehrt. Alsbald begann er eine rege literarische Tätigkeit im Dienste der Kirche. Daß er, wie Hieronymus behauptet (vir. ill. 53), Presbyter war, ist sehr unwahrscheinlich. Spätestens 207 trennte er sich von der Kirche; sein strenger und düsterer, jedem Ausgleich abholder Sinn führte ihn zu den Montanisten. Aber bald wurde er das Haupt einer eigenen Partei, der Tertullianisten (Aug. haer. 86). Er starb in hohem Alter nach 220 in Karthago.
Tertullian ist einer der originellsten und bis auf Augustin der individuellste aller lateinischen Kirchenschriftsteller. Religiös entflammt, besaß er einen durchdringenden Verstand, hinreißende Beredsamkeit, stets schlagfertigen Witz und hervorragende Kenntnisse auf allen Gebieten. Dabei beherrschte er wie kein anderer die lateinische Sprache und gestaltete sie frei zu ganz neuen Formen. Seine Schriften haben nächst der Vetus Latina und Vulgata auf das altchristliche Latein am meisten Einfluß geübt. Ihn als Schöpfer der christlichen Latinität zu bezeichnen, geht jedoch zu weit. Er schreibt einen knappen, markigen, darum aber auch oft |149 dunklen Stil; richtig sagt von ihm Vinzenz von Lerin: Quot paene verba, tot sententiae (c. 18). Wenn aber Vinzenz fortfährt: Quot sensus, tot victoriae, so irrt er; denn Tertullians Dialektik blendet mehr, als sie überzeugt, und das hängt mit seinem Wesen zusammen. Er hatte eine aufgeregte, zu Extremen hinneigende Natur, und er selbst muß einmal gestehen, daß ihm die Tugend, zu deren Lobpreis er eine eigene Schrift verfaßte (pat. 1), vollständig fehle. In seiner Rhetorik spielt das ganze Register von pathetischem Zorn, spöttischem Witz und advokatischer Zungenfertigkeit. Im Streit kennt er keine Rücksichten, fast alle seine Schriften sind Streitschriften. Mit derselben Bitterkeit, mit der er als Katholik das Verfahren der heidnischen Statthalter brandmarkte und die heidnische Religion überhaupt angriff und lächerlich machte, bekämpfte er später als Montanist die angebliche Laxheit der katholischen Kirche und scheute sich nicht, selbst die Agapenfeiern in dunklen Anspielungen zu verdächtigen (ieiun. 17). Wegen seiner schwer verständlichen Sprache, mehr aber noch wegen seines Abfalls zum Montanismus blieb er indes bald ungelesen oder wenigstens, wie schon bei Cyprian, ungenannt.
Die Schriften Tertullians lassen sich zeitlich kaum genau ordnen; mit größerer Sicherheit kann man gewöhnlich nur bestimmen, ob sie der katholischen oder der montanistischen Periode des Verfassers angehören. Die häufigen Rückverweisungen der Schriften aufeinander und innere Gründe gestatten, eine verhältnismäßige Reihenfolge vieler Schriften festzustellen. Auch die Textüberlieferung ist recht mangelhaft. Nicht wenige Schriften gingen verloren; von ändern (pud., ieiun.) sind die Hss. untergegangen, nach denen die ältesten Ausgaben gedruckt worden sind; wieder andere liegen in dem einzigen Codex Agobardinus (zu Paris) vor, der vom Erzbischof Agobard von Lyon (814-40) stammt. Nur für das Apologeticum gibt es zahlreiche Hss. Erhalten sind im ganzen 31 Schriften. Tertullian war der fruchtbarste lateinische Schriftsteller der vorkonstantinischen Zeit.
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Monographien zu Leben und Lehre: A. d'Alès, La théol. de T., P 1905.— Bardy, DThC 15, l, 130/71,---- L. Bayard, T. et Cyprien, 1930 (moralistes chrét.).---- J. Berton, T. le schismatique, P 1928.---- Th. Brandt, T.s Ethik, G 1929.----G. Calloni Cerrctti, Tertulliano, Modena 1957.---- L. Castiglioni, Tertulliano, Mi 1937.---- H. Karpp, Schrift und Geist bei T., G 1956.---- J. Klein, Tertullian. Christi. Bewußtsein und sittl. Forderungen, Düss. 1940.---- Koch, PWK II 9, 822/44, 1934.---- J. Kolberg, Verfassung, Kultus und Disciplin der christl. Kirche nach den Schriften T.s, Braunsbg. 1886.---- J. Lortz, T. als Apologet, 1/2, 1927/8.----P. Monceaux, Hist. litt. de l'Afrique chrét. l, 1901.---- J. Morgan, The importance of T. in the development of christ. dogma, Lo 1928.---- B. Nisters, T. Seine Persönlichkeit und sein Schicksal, Mr 1950.---- E. Nöldechen, Tertullian, Gotha 1890.---- S. Otto, Natura und dispositio. Untersuchung zum Naturbegriff und zur Denkform T.s, Mn 1960.---- F. Ramorino, Tertulliano, Mi 1923.---- E. R. Roberts, The theology of T., Lo 1924.---- S. F. Sajdak, T. Czasy-zycie-dziela, Poznan 1949.---- P. Vitton, I concetti giuridici nelle opère di T., R 1924.
Einzelnes: Barlow, The Theologian 13, 2, 1957, 40/4 (Biblical inspiration). ----Décarie, VC 1961, 23/31 (le paradoxe de T.).---- Dölger, AC 5, 262/71 (misericordia).---- da Fabriano, StPat 1958, 171/93 (la chiusura della rivelazione in T.).----Hanson, JTS 1961, 273/9 (interpretation of scripture).---- Harnack, T.s Bibliothek christl. Schriften, SbB 1914, 303/34.---- Kuss [J. Schmid, 1963] 138/60 (Hermeneutik).---- Langstadt, SP 6, 122/6 (legalism).---- Lehmann, Her 1959, 231/46 (T. im Mittelalter).---- da Lio, StPat 1955, 358/95; 1956, 185/212 (Wunderbeweis bei T.).---- Mohrmann, VC 1951, 111f (T. bei Hieron. und Aug.).----Otto, MüThZ 1959, 276/82 (Mensch als Bild Gottes).---- Restrepo-Jaramillo, Gr 1934, 3/58 (Glaubenssymbol).---- Smitz, Th 1943, 127/39 (T. and Montanism).----Stelzenberger [K. Adam, Düss. 1956] 28/43 (Conscientia).— Tescari [Misc. G. Galbiati, Mi 1951] 13/8 (Engellehre).
Tertullian nicht Presbyter: H. Koch, ThSK 1931, 108/14.---- J. Schrijnen, Charakteristik des altchristl. Latein, N 1932, 30 Anm. l.---- J. Klein, Tertullian, Christi. Bewußtsein, 1940, 268/73.
Kultur, Staat, Religion: A. d'Alès, REG 1937, 320/62 (T. helléniste).---- M. M. Baney, Some reflections of life in North Africa in the writings of T., Wa 1948.----Basanoff, ACl 1950, 463/5 (Fortleben heidn. Vorstellungen bei T. und Aug.).----A. Beck, Römisches Recht bei T. und Cypr., 1930.---- Daly, IER 1958, 14/23 (T. on Roman education).---- Demougeot, SP 3, 354/65 (Paganus, Mithra et T.).----Hornus, RHPhR 1958, 1/38 (pensée politique).---- V. Nemes, T. görög müveltsege, Pannonhalma 1935 (griech. Bildung T.s).---- S. Oswiecimski, De scriptorum |151 romanorum vestigiis apud T. obviis quaestiones selectac, Krakow 1951.---- H. Pétré, L'exemplum chez T., Dijon 1945.---- A. Rölli, T.s Stellung zum röm. Staat, Diss. T 1944.---- K. Vysoky, Remarques sur les sources des œuvres de T., Prag 1937.
1. Ad nationes, 2 Bücher (197), eine Verteidigung gegen die heidnischen Angriffe und ein Angriff auf das in sittlicher und religiöser Auflösung begriffene Heidentum. Diese Schrift ist als provisorischer Entwurf für die noch in demselben Jahre im Apologeticum wesentlich gründlicher durchgeführte Auseinandersetzung mit dem Heidentum anzusehen.
Borleffs, CCL 1; Lei 1929 (mit Index verborum).---- M. Heidenthaller, T.s 2. Buch Ad nat. und De test. animae, Pa 1942 (ÜK). ** Evans, VC 1955, 37/44.----Kuijper, VC 1954, 78/82.---- A. Schneider, MusHelvet 1962, 180/89 (Tkr.).---- van den Hout, Mn 4, 8, 1955, 168 f.
2. Das Apologeticum (Ende 197) ist an die Provinzialstatthalter des römischen Reiches gerichtet. Im Unterschied von allen ändern alten Apologien berücksichtigt es fast nur die politischen Anschuldigungen gegen die Christen, nämlich Verachtung der Staatsgötter und Majestätsbcleidigung, und leitet die Apologetik von der philosophischen Linie auf die juristische über.
Mit großem Geschick wird dabei das von der heidnischen Staatsgewalt gegen die Christen beliebte Rechtsverfahren getadelt: Das einzige Verbrechen, das zur Verurteilung steht, ist das "normen christianum". Allen ändern Verbrechern gestattet man eine Verteidigung, den Christen aber nicht; bei anderen soll die Folter ein Geständnis erzwingen, bei den Christen eine Ableugnung. Die gegen die Christen ausgestreuten gemeinen Verdächtigungen werden entkräftet, und es wird das Wichtigste über den christlichen Glauben und das Gemeindeleben mitgeteilt. Das Christentum, heißt es am Schluß, ist eine Philosophie, aber die heidnischen Philosophen zwingt man nicht wie die Christen zu opfern, sie können sogar ungestraft die Götter leugnen. Doch werden die heidnischen Grausamkeiten den Christen nicht schaden, im Gegenteil: "Plures efficimur, quotiens metimur a vobis, semen est sanguis christianorum" (50).
Sehr umstritten ist der Text des Apologeticum. Die Schrift ist im heute verlorenen Codex Fuldensis in einer von der gewöhnlichen Überlieferung (Vulgata, mehr als 30 Hss.) vielfach abweichenden Fassung erhalten. Die öfters vertretene Ansicht (H. Schrörs, G. Thoernell), daß es sich um zwei verschiedene, von Tertullian selbst veranstaltete Ausgaben handele, war auch für die Textgestaltung des Büchleins durch die neuesten Herausgeber (H. Hoppe, C. Becker u. E. Dekkers) maßgebend. Dieser Anschauung |152 steht die andere gegenüber, wonach die beiden Überlieferungen, wie gemeinsame Fehler beweisen, auf ein und denselben Archetypus zurückgehen, der sich frühzeitig durch das Eingreifen unerleuchteter Abschreiber in zwei Äste aufgespalten hat. Der Originaltext ist im Codex Fuldensis weniger entstellt als in der Vulgata (J. P. Waltzing, J. Martin, Löfstedt, Mohrmann). ---- Bereits am Anfang des 3. Jh. ist das Apologeticum ins Griechische übersetzt worden.
E. Dekkers, CCL 1.---- C. Becker, Mn 21961 (TÜK).---- S. Colombo, To 1918 (TK), To 1926 (T).---- J. Martin, FP 6, 1933.---- B. Mayor-A. Souter, C 1917 (TÜ).---- J. P. Waltzing, Liège 1914 (Cod. Fuld.); Liège 1919 (Texte établi d'après la double trad. manuscrite, ÜK); Ndr. P 1931.---- J. P. Waltzing-A. Severyns, P 1929, 21961 (TÜ).---- P. Henen, Index verborum quae T.i Apologetico continentur, Lou-P 1910.---- Ü: Ch. Mohrmann, Ut-Bru 1951.---- J. Sajdak, Poznan 1947. ** Alfonsi, Lat 2, 1949, 5/11 (apol. 46, 15).---- C. Becker, Tertullians Apologeticum. Werden und Leistung, Mn 1954; ThR 1957, 172/4 (Tkr.).---- Beran [Misc. Mohlberg, 1948] 2, 7/32 (de ordine missae).---- Bickel [F. J. Dölger, 1939] 54/61 (apol. 18).---- Borleffs, VC 1952, 129/45 (Institutum Neronianum).---- F. di Capua, Scritti min. 2, 47/55 (apol. 16, 6).---- Casamassa, Ang 1943, 184/94 (apol. 37, 4: l'accusa di "hesterni").---- Dölger, AC 1929, 271/90 (apol. 21); 1930, 241/51 (apol. 30, 4); 1934, 118/200 (sacram. infanticidii); 1936, 188/200 (apol. 6, 4); 1950, 157/9 (apol. 40, 2).---- Emonds, RhM 1937, 180/91 (apol. 46, 16); Zweite Auflage, 1941, 137/87 (apol.).---- Frassinetti, RILSL 91, 1957, 3/122 (Text).---- Grant, VC 1951, 113 (apol. 47, 6f).---- Griffe, BLE 1949, 129/45 (Christenverfolgungen, juristische Grundlage).---- Oswiecimski, Eos 44, 1950, 11/22 (apol. 15).---- Paoli, SIF 1956, 318/23 (varianti di autore).----Pellegrino, AtTor 90, 1955 f, 356/70; 371/442 (Semen est sanguis Christianorum); HJB 1958, 370/82 (duplice redazione).---- Préaux [L. Herrmann, 1960] 639/54 (apol. 16, 12: deus christianorum, Onocoetes).---- Quacquarelli, Gr 1950, 145/74; 562/89 (Christenverfolgungen).---- Saumagne, ThZ 1961, 334/55 (Institutum Neronianum).---- Schmeck, Gn 1954, 410/12 (Tkr.).---- Tescari, RAG 1947/8, 349/52 (apol. 46, 14).---- Volterra [C. Ferrini, 1947] 471/88 (apol. 5, l f).---- Zeiller AB 1949, 49/54 (Christenverfolgungen); RHE 1955, 393/99 (Institutum Neronianum).
3. De testimonio animae führt Tertullian einen Satz des Apologeticum (17) näher aus: "O testimonium animae naturaliter christianae!" Die Heiden zeigen in ihren spontanen Ausrufen, daß sie im Grunde ihrer Seele an die Einheit Gottes, die Fortdauer der Seele und die Existenz böser Geister glauben, z. B. wenn sie sagen: Gott sieht es, oder: Der Verstorbene möge sanft ruhen.
G. Quispel, Lei 1952 (T); Lei 1952 (Ü).---- C. Tibiletti, To 1959 (TK). ** Lazzati, Atene e Roma 1939, 153/66 (fonti).---- Quispel, Lat 1951, 163/9 (anima naturaliter christiana).---- Tibiletti, AtTor 1953/4, 84/117 (anima naturaliter Christiana); GiornItFil 1959, 258/62 (Tkr.). |153
4. Ad Scapulam (212), ein offener Brief, der dem wütenden Christenfeind Scapula, Prokonsul in Afrika, unter Hinweis auf eine Sonnenfinsternis mit dem Strafgericht Gottes droht.
Bulhart, CSEL 76.---- Dekkers, CCL 2.---- Quacquarelli, 1957 (TK); dazu Waszink, VC 1959, 60/4. ** Dölger, AG 6, 70 f (ad Scap. 4).---- Quacquarelli, Gr 1950, 562/89 (Christenverfolgung).---- Waszink, VC 1959, 46/57 (Tkr.).
5. Adversus Iudaeos ist noch mehr als Adversus nationes ein bloßer Entwurf geblieben. Auch der 2. Teil (9/14) ist echt und wurde später im 3. Buch Adversus Marcionem verwertet. Die Schrift sucht zu zeigen, daß das atl. Gesetz nur so lange gültig war, bis Jesus Christus als der neue Gesetzgeber gekommen ist, vorhergesagt von den Propheten. Auch die Heiden haben Anteil an der Gnade Gottes.
Kroymann, CSEL 70.---- H. Tränkle, 1964 (TK). ** G. Quispel, De bronnen van Tert. Adv. Marc., Lei 1943, 61/79 (T. adv. Iud.); dazu Borleffs, VC 1947, 195 f.---- Säflund, De pallio, 1955, 122/208 (Verhältnis von Adv. Iud. zu Adv. Marc. III).---- M. Simon, Verus Israël, 1948.---- A. L. Williams, Adv. Iudaeos, C 1935, 43/52.
6. De praescriptione haereticorum (um 200). In freier Übersetzung will der Titel der Schrift besagen, daß gegenüber den Häretikern eine praescriptio geltend gemacht werden kann. Unter praescriptio verstanden die Rechtsgelehrten der Kaiserzeit die Berufung eines Beklagten auf eine gesetzliche Vorschrift, die den Kläger a limine abwies, so daß ein Prozeßverfahren gar nicht stattfinden konnte. Dieser juristische Tatbestand gab Tertullian die Anregung, seine "theologische praescriptio" geltend zu machen.
Im Mittelpunkt seiner z. T. wenig übersichtlichen Darlegungen stehen zwei Feststellungen (praescriptiones): 1. Christus hat die Apostel und sonst niemand anderen zu Verkündern seiner Lehre bestellt. 2. Die Apostel haben diese Lehre niemand anderem als den von ihnen begründeten Gemeinden anvertraut. Damit ist nicht nur das höhere Alter der apostolischen Gemeinden, sondern auch ihrer Lehre im Vergleich zu allen Häresien erwiesen. Die Häresien sind bereits durch diese Feststellung, weil später entstanden, des Irrtums überführt. Von diesem Standpunkt aus hat es Tertullian gar nicht nötig, die gnostischen Lehren im einzelnen zu prüfen und als falsch zu widerlegen. Jede Lehre, die mit der Lehre der apostolischen Kirchen übereinstimmt, ist als wahr anzusehen, weil diese Kirchen ihre Lehre von den Aposteln, die Apostel von Christus empfangen haben und Christus von Gott (21). |154
Die Kirche ist rechtmäßige Besitzerin des Glaubens, und ihr gehört auch die Hl. Schrift (19). Die Häretiker haben kein Recht, über den Sinn der Hl. Schrift zu urteilen. Die Glaubensregel, d. h. die Lehre der apostolischen Kirchen, entscheidet über den Umfang und Inhalt des Glaubens. Private Schriftauslegung und Disputationen über den Sinn von Schriftstellen führen niemals zum Ziel (16). Die apostolische Tradition garantiert auch die richtige Erklärung der Hl. Schrift (15/19). Nichts gegen die Glaubensregel wissen heißt alles wissen (Adversus regulam nihil scire omnia scire est: 14, 5).
Bakhuizen van den Brink, Haag .1946.---- J. Martin, FP 4, 1930.---- R. F. Refoulé, SCh 46, 1957 (T mit Ü von P. de Labriolle).---- Ae. Michiels, Steenbrugge 1959 (Index verborum).---- Ch. Mohrmann, Ut-Bru 1951 (Ü). ** Czuj, CTh 1954, 194/247.---- Dölger, AC 1929, 88/91; 1930, 268/80 (praescr. 40).---- P. U. Hüntermann, De praescr. haer. libri analysis, Quaracchi 1934.---- J. Stirnimann, Die Praescriptio T.s im Lidite des röm. Rechts und der Theologie, FrSch 1949; dazu Steinwenter, ZSK 1952, 507/11.---- van Unnik, VC 1949, 1/36 (praescr. 38).---- A. Vellico, La rivelazione e le sue fonti nel De praescr. haer. di T., R 1935.----G. Zimmermann, Die hermeneut. Prinzipien T.s, Diss. L 1937.
In der Editio Gangneiana ist der Schrift De praescriptione (als Kap. 46/53) unter dem Titel Adversus omnes haereses eine Zusammenstellung von 32 Häresien angehängt. Diese ist nach E. Schwartz ein von Viktorin von Pettau übersetzter und antiorigenistisch bearbeiteter griechischer Traktat, der von Papst Zephyrin oder einem seiner Kleriker verfaßt wurde.
Kroymann, CSEL 47, 213/26; CCL 2, 1399/1410.---- E. Schwartz, SbMn 1936, 3, 38/45.
7. Die 5 Bücher Adversus Marcionem sind das bei weitem umfangreichste Werk. Tertullian hat dieser Schrift drei verschiedene Fassungen gegeben, von denen uns jedoch nur die letzte ausführlichste Bearbeitung erhalten ist. Das uns vorliegende erste Buch ist im 15. Jahre der Regierung des Kaisers Severus, d. h. 207, geschrieben (vgl. l, 15). In 5, 10 nimmt der Verfasser bereits auf seine Schrift De carnis resurrectione Bezug. Das Werk gehört der montanistischen Periode seines Lebens an (vgl. l, 19; 3, 24; 4, 22).
In Buch 1/2 wird dargetan, daß der Weltschöpfer von dem guten Gott nicht versdlieden sein kann, in Buch 3, daß der erschienene Christus der im alten Bunde geweissagte Messias, nicht ein höherer Äon in einem Scheinleibe war. In Buch 4 und 5 kritisiert Tertullian das von Marcion geschaffene Neue Testament und zeigt, daß zwischen dem Alten und Neuen Testament keine Widersprüche bestehen. |155
Kroymann, CSEL 47; verbessert CCL 1. ** Aalders, Mn 1937, 241/82 (Luc.-Zitate).---- D'Alès, RSR 1936, 99 f; 585 f; 1937, 228/30 (adv. Marc. 3, 18; 4, 21).----E. Bosshardt, Essai sur l'originalité et la probité de Tert. dans son traité contre Marcion, Thèse FrSch 1921.---- E. Evans, TU 73, 699/705 (T.'s commentary on the Marcionite gospel).---- Grant, VC 1951, 114 f (adv. Marc. 1, 13).---- A. Harnack, Marcion, TU 45, 21924; Ndr. Darmst. 1960 mit Neue Studien zu Marcion, 1923.---- Higgins, VC 1951, 1/42 (Text of Luke in Marc. and T.).---- Nau-mann, ZkTh 1934, 311/63; 533/51 (Problem des Bösen in T.s adv. Marc. 2).----G. Pfligersdorffer, De Tert. adv. Marc. lib. tertii argumento sententiarumque connexu, Diss. W 1939.---- G. Quispel, De bronnen van Tert. Adv. Marc., Lei 1943; VC 1947, 42 (Tkr.).---- Rist, JR 1942, 39/62 (pseudographic refutations of Marcionism).---- M. C. Tenney, The quotations from Luke in Tert., Diss. Harvard-Univ. 1944.---- Waszink, Mn 1935/6, 172; 1943, 72/4; 1947, 127/9 (Tkr.).
8. Adversus Hermogenem, eine Verteidigung der christlichen Schöpfungslehre gegenüber dem Gnostiker und Maler H. in Karthago.
J. H. Waszink, Ut 1956 (T); ACW 24, 1956 (ÜK). ** Hiltbrunner, VC 1956, 215/28 (Tkr.).---- Orbe, Gr 1958, 706/46 (teologia trinitaria).---- Quacquarelli [G. Belvederi, 1954] 187/97 (adv. H. 1).---- Waszink, VC 1955, 129/47 (Tkr.).
9. Adversus Valentinianos, gegen den Gnostiker V. und seine Anhänger gerichtet; benützt stark Irenäus (haer. 1).
Kroymann, CSEL 47; verbessert CCL 2. ** D'Alès, RSR 1935, 496 (adv. Val. 12).---- Dölger, AC 1930, 41/56 (adv. Valent. 2f); AC 1936, 272/4 (adv. Val. 8).---- Quispel, NTT 1948, 280/90 (T.s satire in Adv. Val).
10. Scorpiace, ein Heilmittel gegen den Skorpionenstich der gnostischen Irrlehre, verteidigt den sittlichen Wert des Martyriums (213).
Reifferscheid-Wissowa, CSEL 20; verbessert CCL 2. ** Vaccari, Scritti 2, 7/11.
11. De carne Christi widerlegt den Doketismus der Gnostiker; hier (9) die Behauptung, das Antlitz Christi sei häßlich gewesen (um 210/12).
Kroymann, CSEL 70; verbessert CCL 2.---- E. Evans, Lo 1956 (TÜ).
12. De carnis resurrectione verteidigt die Auferstehung des Fleisches gegen die Gnostiker.
Borleffs, CCL 2.---- E. Evans, Lo 1960 (TÜK). ** Davies, JTS 1955, 90/4 (res. 63: origins of Montanism).---- Gewiess, ThQ 1948, 477ff (Phil. 2, 5/11 in res. 6).---- Quacquarelli, RassScFilos 1956, 77/93 (res. 5, 1: rhetoricari e philosophari).
13. Adversus Praxean, die klarste vornizänische Darlegung der kirchlichen Trinitätslehre, gegen den Patripassianer Praxeas gerichtet; hier (3) erstmals das Wort trinitas.
E. Evans, Lo 1948 und 1956 (TDK); dazu Waszink, VC 1953, 246/53.---- |156 G. Scarpat, To 1959 (TÜK). ** J. Bärbel, Christos Angelos, Bonn 1941, 70/9.----Camelot, RSPhTh 1949, 31/3 (adv. Prax. 8).---- Cantalamessa, SC 1962, 28/50 (Praxeas und der Monarchianismus).---- Evans, SP 3, 196/9 (second thoughts).----Rossi, GiornItFil 1960, 248/60 (citazione dei testi sacri).---- Simonetti, RivStorLettRel l, 1965, 97f (adv. Prax. 27, 11: persona Christi).---- Th. L. Verhoeven, Studien over T.s Adv. Praxean, A 1948, Diss. Ut; VC 1951, 43/8 (monarchia).
14. De baptismo, eine Darlegung der kirchlichen Lehre von der Taufe, ihrer Notwendigkeit und ihren Wirkungen. Die Häretikertaufe ist ungültig (15).
Borleffs, CCL 1.---- E. Evans, Lo 1964 (TÜK).---- B. Luiselli, To 1960 (TK).----R. F. Refoulé-M. Drouzy, SCh 35, 1952 (TÜK); dazu Borleffs, VC 1954, 188/92.---- Borleffs, Mn 1931, 50/102 (Index verborum). ** Borleffs, VC 1948, 185/200 (Ms. von Troyes); VC 1954, 188/92 (Tkr.).---- Luiselli, RivCultClMed 2, 1960, 209/16 (Bibeltext).---- Mohrmann, VC 1951, 49 (bapt. 2, 2).---- Quasten [Mél. J. Ghellinck, 1951] 223/34 (Baptismal creed and baptismal act).---- Schepcns, RSR 1948, 112 f (bapt. 5).
15. De anima (210/13), nächst der Schrift gegen Marcion das umfangreichste Werk, gehört in die Reihe der antignostischen Schriften und ist mit der verlorenen gegen Hermogenes gerichteten Abhandlung De censu animae verwandt. Tertullian schreibt keine systematische Abhandlung über die Seelenlehre, sondern verfolgt polemische Ziele; er will philosophische und gnostische Irrlehren widerlegen. In der Schrift wird neben anderen Autoren vor allem der Mediziner Soranus von Ephesus benützt.
J. H. Waszink, A 1947 (TÜK; dazu Becker, Gn 1953, 47/56); CCL 2; Index verborum et locutionum quae T.i de anima libro continentur, Bonn 1935. ** G. Esser, Die Seelenlehre T.s, Pa 1893.---- Festugière, RSPhTh 1949, 129/61 (composition et l'esprit); Jahresber. der Görresges. 1951 (Köln 1952), 53/68 (Philosophie und Gnosis).---- H. Karpp, Probleme altchristl. Anthropologie, 1951, 40/91.---- Lievestro, JournHistIdeas 1956, 264/8 (the sensus argument).----Node, VC 1950, 129/41 (ahori).---- Seyr, Commentationes Vindobon. 3, 1937, 51/74 (Seelen- und Erkenntnislehre T.s und der Stoa).---- Tibiletti, RFC 1957, 256/60 (an. 41).---- Waszink [F. J. Dölger, 1939] 276/8 (eschatolog. Deutung der Siebenzahl); VC 1947, 137/49 (Aristoteles); VC 1949, 107/112 (Mors immatura); 1950, 212/45 (Klauseltechnik).
a) Aus der katholischen Zeit:
16. Ad martyres will Christen, die im Kerker schmachten, trösten und stärken (197 oder 202/03).
Bulhart, CSEL 76; dazu Sciuto, Orph 1958, 164/71.---- A. Quacquarelli, R 1963 (TÜK).---- F. Sciuto, Tert., Tre opère parenetiche, Ca 1961 (TÜ). ** Alfonsi [A. Beltrami, Geneva 1954] 39/49 (Consolatio, auch Protreptikos und Diatribe).---- C. Becker, Tert.s Apologeticum, 1954, 350/4 (Datierung vor Ad nat. |157 und Apol.).---- H. v. Campenhausen, Die Idee des Martyriums, 1936, 17/28.----E. E. Malone, The monk and the martyr, Wa 1950, 30/4.---- Schlegel, DR 1945, 125/8 (circumstance of the composition).---- Vysoky, Listy Filologicke 72, 1948, 156/66 (Quellen).
17. De spectaculis (197-200) verbietet den Besuch jeder Art heidnischer Schauspiele wegen ihrer Sittenlosigkeit und ihres engen Zusammenhangs mit dem Götzendienst.
E. Castorina, Fi 1961 (TÜK).---- Dekkers, CCL 1.---- J. Marra, To 1954.---- P. de Labriolle, 1/2, P 1936 (ÜK).---- Ch. Mohrmann, Ut 1951 (Ü). ** C. Becker, T.s Apologeticum, 1954, 348 f (spect. vor Ad nation.).---- J. Büchner, T. De spect., Kommentar, Wü 1935.---- Couratin, JEH 1951, 19/23 (spect. 25: Sanctus).---- J. Köhne, Die Schrift T.s über die Schauspiele in kultur- und religionsgeschichtl. Beleuchtung, Diss. Br 1929.---- Turcan, REL 1958, 255/62 (spect. 8: aedes Solis). ----van der Nat, VC 1964, 129/43 (the structure).---- Waszink, VC 1948, 224/42 (Varro, Livius und T. zum röm. Drama).
18. De oratione gibt für Katechumenen Vorschriften über das Gebet im allgemeinen und erklärt das Vaterunser (198—204).
G. F. Diercks, Bussum 1947 (TÜK); CCL 1; Ut 1956.---- E. Evans, Lo 1953 (TÜK). ** Alfonsi, Convivium 1961, 641/7.---- Dekkers, Tert. en de geschiedenis der Liturgie, 117/26.---- Dölger, AC 1936, 116/37 (or. 16).---- Higgins, JTS 1945, 179/83 (6. Bitte des Vaterunsers).---- Pétré, RSR 1951, 63/79 (4. Bitte des Vaterunsers).---- Schäfer, ThGl 1943, 1/6 (Vaterunser).---- Simovic, France francise. 1938, 145/64; 193/222 (Vaterunser).
19. De patientia. Tertullian will über diese Tugend, die er selbst nicht besitze, in einer Weise sprechen, wie der Kranke gern den Wert der Gesundheit preise; ihre größte Feindin sei die Rachsucht (200-203).
Borleffs, Haag 1948.---- F. Sciuto, T., Tre opère parenetiche, Ca 1961 (TÜ). ** Carlson, ClPh 1948, 93/104 (pagan examples of fortitude in Latin Christ, apologists).
20. De paenitentia (wohl 203) handelt über Bußgesinnung und -übung vor der Taufe (1/6) und die einmalige kirchliche Buße, der sich ein Getaufter nach Begehung einer "schweren Sünde" zu unterziehen hat (7/12).
Borleffs, CCL 1; CSEL 76 (mit reicherem Apparat); Mn 2, 40, 1933, 254/316 (Index verborum).---- F. Sciuto, Tertulliano. Tre opère parenetiche, Ca 1961.----Le Saint, ACW 18, 1959 (Ü). ** Lukman [R. Egger, 1952J343/6 (paen. 7, 7/9: Anblasen des Teufels).
21. De cultu feminarum (2 Bücher) bekämpft die verschiedenen Formen des Frauenputzes (197-201).
Kroymann, CSEL 70; verbessert CCL 1.---- W. Kok, Dokkum 1934 (TÜK).----J. Marra, To 21951; dazu Thörnell, Gn 1953, 104/6.---- A. Gerlo, A 1955 (Ü). ** Braun, SE 1955, 35/48 (Text von 2, 6, 4).---- A. Ducheyne, Proeve van vertaling |158 en commentaar (des 1. Buches), Thèse Gand 1941.---- Säflund, De pallio, 1955, 106/21 (Chronologie).---- Seliga [Munera philol. L. Cwiklinski oblata, Poznan 1936] 262/69 (T. et Cyprian, de feminarum moribus pravis).---- van der Nat, VC 1964, 14/31 (c. fem. 2,2).
22. Ad uxorem (2 Bücher) bittet seine Frau, nach seinem Tode Witwe zu bleiben oder nur einen Christen zu heiraten (um 203).
A. Stephan, 's Gravenhage 1954.---- Le Saint, ACW 13, 1951 (Ü); dazu Waszink, VC 1952, 183/90. ** Frassinetti, RILSL 2, 88, 1955, 151/88 (scritti matrimoniali di Seneca e T.).---- Kujper, VC 1955, 247f (Tkr.).
b) Aus der montanistischen Zeit:
23. De exhortatione castitatis mahnt einen verwitweten Freund, keine zweite Ehe einzugehen, die er geradezu als eine "Art Unzucht" bezeichnet (9) (vor 207).
Kroymann, CSEL 70; verbessert CCL 2.---- Le Saint, ACW 13, 1951 (Ü). ** Tibiletti, Maia 1958, 209/20 (exh. cast. 1, 1).
24. De monogamia, ein heftiger Ausfall gegen die Erlaubtheit der zweiten Ehe (um 217).
Bulhart, CSEL 76.---- Le Saint, ACW 13, 1951 (Ü); dazu Plumpe, ThSt 1951, 557/9 (Tkr.). ** de Aldama, SE 1963, 34/9 (monog. 8,2).
25. De virginibus velandis verlangt die Verschleierung aller Jungfrauen, nicht bloß in der Kirche, sondern auch in der Öffentlichkeit (vor 207).
Bulhart, CSEL 76.---- G. F. Diercks, Ut 1956.
26. De corona (211) verwirft die Bekränzung der Soldaten als etwas spezifisch Heidnisches und verbietet den Kriegsdienst als mit dem Christenglauben unvereinbar.
Kroymann, CSEL 70; verbessert CCL 2.---- J. Marra, To 21951; dazu Thörnell, Gn 1953, 104/6. ** K. Baus, Der Kranz in Antike und Christentum, 1940.----Dölger, AC 1941, 77 (cor. 12).---- Franchi de' Cavalieri, ST 65, 357/86.---- Minn, EvQuarterly 1941, 202/13 (T. und der Krieg).---- De Plinval [Mél. J. Ghellinck, 1951] 183/8.---- Ryan, ThSt 1952, 1/32 (rejection of military service).
27. De idololatria fordert strengste Ablehnung des Götzendienstes und aller ihm irgendwie dienenden Berufe (Künstler, Lehrers staatliche und militärische Beamte).
Reifferscheid-Wissowa, CSEL 20; verbessert CCL 2. ** C. Becker, Tert.s Apol. 1954, 349f (Datierung).---- Dölger, AC 1932, 192/203 (idol. 11).---- G. L. Ellsperman, The attitude of early christ, writers toward pagan littérature and learning, W 1949, 23/42.---- Koep [Th. Klauser, 1964] 199/208 (idol. 9: Astrologie).---- J. L. Schulte, Het Heidendom bij T., Diss. Lei 1923.---- van der Nat, VC 1963, 71/84 (Tkr.). |159
28. De fuga in persccutione: Die Flucht in der Verfolgung ist unstatthaft und widerstreitet dem Willen Gottes (um 212).
Bulhart, CSEL 76.---- J. Marra, To 1954.---- J. J. Thierry, Hilversum 1941 (TÜ); 1947, 233/62 (Index verborum); CCL 2. ** Waszink, Museum l, 1943, 168/70.
29. De ieiunio adversus psychicos, eine Verteidigung der montanistischen Fastenpraxis mit heftigen Ausfällen gegen die ihren Lüsten frönenden Psychiker, d. h. Katholiken (16f); wichtig für die Geschichte der Fastenpraxis.
Reifferscheid-Wissowa, CSEL 20; verbessert CCL 2. ** J. Schummer, Die altchristl. Fastenpraxis..., Mr 1933.
30. De pudicitia streitet im Gegensatz zu früher der Kirche das Recht ab, Sünden nachzulassen. Diese Vollmacht besitzt nicht die rechtlich organisierte "Bischofskirche", sondern haben nur die "homines spiritales", die Geistesmänner ("Apostel und Propheten"). Tertullians leidenschaftlicher Kampf richtet sich gegen ein edictum peremptorium eines nicht genauer bezeichneten Bischofs (pontifex maximus quod est episcopus episcoporum), der erklärt hat: "Ego et moechiae et fornicationis delicta paenitentia functis dimitto" (1). Die vielfach vertretene Auffassung, daß hier als Gegner Papst Kallistus (217-22) gemeint sei, ist abzulehnen. Aus De pudicitia kann kein befriedigender Beweis dafür geführt werden, daß Tertullian einen außerhalb Afrikas lebenden Bischof bekämpft, und außerdem liegt dem Bericht Hippolyts (Philos. 9, 12), der Kallistus und seine "laxe" Praxis angreift, eine ganz andere Situation zugrunde, als sie aus der Tertullianschrift erschlossen werden muß. Tertullian wendet sich wohl gegen den Bischof Agrippinus von Karthago (Cypr. ep. 71, 4).
Dekkers, CCL 2.---- P. de Labriolle, P 1906 (TÜ).---- E. Preuschen, T 21910.----G. Rauschen, FP 10, 1915.---- Le Saint, ACW 28, 1959 (Ü). ** Altaner, ThR 1939, 129/38 (Literatur über den von T. bekämpften Bischof).---- Daly, SP 3, 176/82 ("Edict of Callistus").---- Keseling, PhJB 1947, 256f (Aristoteles in pud. 1,1).---- W. Köhler, Omnis ecclesia Petri propinqua, SbHei 1938; ZKG 1942, 124/35.---- Langstadt, SP 2, 251/7 (doctrine of sin and the power of absolution).----Nock, HThR 1939, 83/96 (edictum peremptorium).---- Poschmann, Paenit. 348/67.---- Quacquarelli, RassScFilos 1949, 16/37 (Buße bei T.).---- Stoekkius, AKKR 1937, 24/126 (Primatsfrage bei T.).
31. De pallio, die kürzeste aller Schriften Tertullians, ist eine persönliche Verteidigungsschrift; mit bitterem Sarkasmus rechtfertigt er den Mitbürgern gegenüber seine Vertauschung der Toga mit dem Philosophenmantel (um 210). |160
Bulhart, CSEL 76.---- Q. Cataudella, Genova 1947 (TÜ).---- A. Gerlo, 1/2, Wetteren 1940 (TÜK).---- J. Marra, To 1954.---- G. Säflund, De pallio und die Stilist. Entwicklung T.s, Lund 1955. ** Albizatti, Athenaeum 1939, 138/49 (Il costume nel De pallio).---- C. Becker, T.s Apolog., 1954, 354 f (de pallio 209/11).----van Berchem, MusHelvet l, 1944, 100/19 (le conflit du christianisme et de l'empire).---- J. Klein, T., Christi. Bewußtsein, 1940, 252/68 (pall. 193 abgefaßt).----J. M. Vis, T.s De pallio, Diss. N 1949.---- Waszink, Mn 1941, 131/7.
Passio ss. Perpetuae et Felicitatis: s. S. 92.
32. Verlorene und unechte Schriften. Aus der stattlichen Reihe verlorener Schriften sind besonders die sieben Bücher De ecstasi zu nennen, eine Verteidigung der ekstatischen Reden montanistischer Propheten. Auch von anderen verlorenen Schriften sind Fragmente bekannt, z. B. De fato und Adv. Apelleiacos. Unecht sind die Schriften Adv. omnes haereses (s. S. 154), De exsecrandis gentium diis und das Carmen adv. Marcionitas (s. S. 410).
A. Harnack, CCL 2, 1331/6 (Fragmente verlorener Schriften).---- R. Willems, CCL 2, 1411/5 (Ps.-Tert. De exsecr. gent. diis). ** E. Bickel, RhM 1927, 394/417 (De exsecr. gent. 6. Jh.).---- C. Tibiletti, AtTor 95, 1960f, 122/66 (Un opuscolo perduto di T., Ad amicum philosophum).---- Verzeichnis verlorener T.-Schriften: CCL l, V/VI.
1. Angesichts der sich widersprechenden Resultate heidnischen Philosophierens steht Tertullian der Philosophie skeptisch, wenn nicht ganz ablehnend gegenüber, bleibt aber ein Freund naiven, allerdings summarisch verfahrenden Vernunftstrebens. Er bejaht die Philosophie, insofern sie mit der christlichen Wahrheit übereinstimmt (Credo, ut intelli-gam). Daß das Dasein Gottes und die Unsterblichkeit der Seele durch vernünftige Überlegung erkennbar ist, spricht er deutlich aus (resurr. 3); desgleichen, daß aus der Ursprungslosigkeit Gottes seine absolute Vollkommenheit folgt: "Imperfectum non potest esse, nisi quod factum est" (Herrn. 28).
Hammerschmidt, IKZ 1959, 69/102; 161/190; 229/240 (philosoph. Begründung der Gotteserkenntnis).---- Labhardt, MusHelvet 1950, 159/80 (T. et la philosophie).---- Préaux, RBPh 1957, 333/55 (Deus Socratis).---- Refoulé, RevSR 1956, 42/5 (T. et la philosophie).---- C. de L. Shortt, The influence of philosophy on the mind of T., Lo 1933.
2. Alles, was besteht, ist ein "corpus", wenngleich ein "corpus sui generis" (carn. Chr. 11), und darum ist auch Gott ein "corpus, etsi Spiritus est" (Prax. 7). Daß "corpus" hier soviel wie Substanz bedeutet, |161 Tertullian also Gott nur Substantialität beilegt, ist nicht ausgeschlossen, aber dann schreibt er der geistigen Substanz Eigenschaften zu, die auch der Körper hat; denn von der Seele sagt er, daß sie "corpus" oder "corporalitas" habe, aber auch Abstammung und Farbe, die Farbe der leuchtenden Luft, besitze (an. 7. 9).
3. Tertullians Trinitätslehre findet in der Schrift Adv. Praxean eine für seine Zeit überraschend scharfe Ausdrucksform: "Connexus Patris in Filio et Filii in Paracleto tres efficit cohaerentes, alterum e altero. Qui tres unum sunt, non unus" (25); "tres unius substantiae et unius status et unius potestatis" (2). Vgl. pud. 21: "Trinitas unius Divinitatis, Pater et Filius et Spiritus Sanctus." Der Fachausdruck persona findet sich erstmalig in seinen Schriften: "Alium . . . personae, non substantiae nomine, ad distinctionem, non ad divisionem" (Prax. 12). Der Logos war schon vor der Weltschöpfung eine "res et persona", und zwar "per substantiae proprietatem", aber erst bei der Weltschöpfung wurde sein Heraustreten aus dem Vater eine "nativitas perfecta" (Prax. 7), und die "Weisheit" wurde "Sohn". Der Sohn als solcher ist also nicht ewig (Herm. 3); seine "diversitas" vom Vater wird zwar geleugnet (Prax. 9), aber er ist doch "gradu" (Ursprungsordnung) von ihm verschieden. Der Vater hat die Fülle der Gottheit (tota substantia est), der Sohn nur einen Teil (derivatio totius et portio), und darum sage er auch: Der Vater ist größer als ich (9). Der Sohn geht vom Vater wie der Sonnenstrahl von der Sonne aus (13).
4. Unzweideutig spricht Tertullian die Zweiheit der Naturen in der einen Person Christi aus, er ist in dieser Lehre dem Abendland Wegweiser geworden. Wir finden bei ihm die Ausdrücke: "proprietas utrius-que substantiae" (in una persona), "duplicem statum, non confusum, sed coniunctum in una persona, deum et hominem Iesum" (Prax. 27). Die Wunder Jesu zeigen seine wahre Gottheit, die Affekte und Leiden seine wahre Menschheit (carn. Chr. 5).
W. Bender, Die Lehre über den Heiligen Geist bei T., Mn 1961.---- R. Cantalamessa, La cristologia di T., FrSch 1962.---- Favre, BLE 1936, 130/45 (Idiomenkommunikation).---- M. Kriebel, Studien zur älteren Entwicklung der abendländ. Trinitätslehre bei T. und Novatian, Diss. Marburg 1932.---- Morel, StC 1940, 194/206 (zu Job. 16, 13).---- Piault, RSPhTh 1963, 181/204 (T. subordinatien?).----Stead, JTS 1963, 46/66 (divine substance).---- Verhoeven, VC 1951, 43/8 (monarchia).---- B. B. Warfield, Studies in T. and Augustine, O 1930, 1/109.---- K. Wölfl, Das Heilswirken Gottes durch den Sohn nach T., R 1960.
5. Tertullian erklärt sich gegen die Jungfräulichkeit Mariens in partu und post partum (carn. Chr. 7. 23; Marc. 4, 19), die uns in der Überlieferung zuerst in dem apokryphen Evangelium Iacobi und in den Oden |162 Salomos begegnet. Auf die Autorität des Tertullian berief sich später Helvidius (Hier. adv. Helv. 17).
H. Koch, Virgo Eva - Virgo Maria, 1937, 8/17; dagegen K. Adam, ThQ 1938, 171/89.---- Madoz, EE 1944, 187/200 (Fortwirken von T.s Mariologie).----Motherway, ThSt 1940, 97/116 (Erschaffung der Eva).
6. Die Seele des Kindes ist ein Ableger (tradux, Traduzianismus) der Seele des Erzeugers, daher erklärt sich auch die Ähnlichkeit der seelischen Anlagen in Eltern und Kind (an. 36/37).
7. Die Erbsünde wird De anima 41 als "vitium originis" gelehrt: Durch die Sünde Adams ist in die menschliche Natur das Gift der bösen Begierde eingedrungen, das "vitium originis", das durch den Teufel zu einem "naturale quodammodo" geworden ist. Die Kindertaufe ist jedoch außer im Notfall nicht ratsam (bapt. 18).
8. Der Kirchenbegriff in fug. 14, pud. 21, 17 ist montanistisch: "Ubi tres, ecclesia est, licet laici" (exh. cast. 7, 3).
9. Der Primat und die Binde- und Lösegewalt sind nach pud. 21, 9/11 dem hl. Petrus persönlich, nicht auch ändern Bischöfen gegeben. Petrus und Paulus sind in Rom gestorben (Scorp. 15; Marc. 4, 5). Über die Bezeichnung "pontifex maximus" s. S. 159.
K. Adam, Der Kirchenbegriff T.s, 1907.---- Bardy, VS 1939, 109/24 (le sacerdoce chrét.).---- Blum, Kerygma und Dogma 1963, 102/21 (Begriff des Apostolischen).---- J. Ludwig, Primatworte, 1952, 11/20.---- V. Morel, De ontwikkeling van de christl. Overlevering volgens T., Brugge 1946.---- Morel, RHE 1939, 243/65; 1944/5, 5/46 (disciplina).---- de Pauw, EThL 1942, 5/46 (traditions non écrites).---- J. C. Plumpe, Mater Ecclesia, Wa 1943, 45/62.---- Seston [O. Cullmann, 1962] 305/12 (citoyenneté romaine de S. Paul).---- Zannoni, Euntes docete 1957, 185/210 (sacramento dclPordine); 1958, 75/97 (T. montanista e il sacerdozio).
10. Die Lehre über die Buße. In seiner katholischen Schrift De paenitentia mahnt Tertullian alle Sünder eindringlich zu der einmaligen, nicht wiederholbaren Kirchenbuße. Die Frage, ob er in dieser Schrift allen auch eine kirchliche Vergebung (Rekonziliation) in Aussicht stelle, ist wohl zu bejahen; vgl. "an melius est damnatum latere quam palam absolvi?" (10). Paen. 9/10 handelt Tertullian ausführlich vom öffentlichen Bekenntnis (exhomologesis). Als Montanist unterscheidet später Tertullian peccata remissibilia und peccata irremissibilia (pud. 2) und beschränkt die kirchliche Buße auf die peccata leviora. Zu den unvergebbaren Sünden gehört vor allem die sogenannte Sündentrias: Ehebruch, Mord und Abfall vom Glauben oder Götzendienst. Die von Christus geübte Gewalt der Sündenvergebung sei eine rein persönliche und nicht |163 in vollem Umfange auf die Kirche übergegangen (pud. 11). Die Vergebungsgewalt stehe nur dem "spiritalis homo" zu, nicht dem bischöflichen Amte; die Pneumatiker seien Organe des Heiligen Geistes (pud. 21).
Chartier, Ant 1935, 301/44; 499/536 (excommunication ecclésiastique). ----Daly, IER 1947, 693/707; 815/21; 1948, 731/46; 832/46; 1950, 156/69 (sacrament of penance).---- Joyce, JTS 1941, 18/42 (Privatbuße).---- B. Poschmann, Paenit. 283/348.---- Quacquarelli, RassScFilos 2, 1, 1949, 16/37.---- K. Rahner, ZkTh 1936, 491/507 (Sünde als Gnadenverlust); [K. Adam, 1952] 139/67 (Theol. der Buße).
11. Den eucharistischen Gottesdienst nennt Tertullian "gloriae relatio et benedictio et laus et hymni" und sieht darin die Erfüllung der Prophezeiung von Mal. l, 10f (Marc. 3, 22; lud. 5). An ändern Stellen spricht er von "orationes sacrificiorum", "munditiae sacrificiorum"; wer zugegen ist, empfängt "den Leib des Herrn", "das Sakrament der Eucharistie" (orat. 19; Marc. 3, 22; pud. 9, 16; cor. 3). Für das konsekrierte Brot findet sich (Marc. 4, 40) der Ausdruck "figura corporis mei", der soviel bedeutet wie: der Leib unter dem Symbol des Brotes. Die Realität des zu genießenden Leibes steht ihm so fest, daß er damit gegen Marcion die Realität des gekreuzigten Leibes beweisen will (3, 19). "Caro corpore et sanguine Christi vescitur, ut et anima de Deo saginetur" (resurr. 8).
Burgos, Hel 1959, 227/56 (sacramentum).---- Daly, IER 1960, 136/46 (liturgical worship).---- E. Dekkers, T. en de geschiedenis der liturgie, Bru-A 1947 (49/67 Eucharistielehre).---- Dölger, AC 1940, 108/17 (dominica sollemnia).----Hitchcock, CQR 1942, 21/36 (sacrament of the Lords supper).---- A. Kolping, Sacramentum Tertullianeum, Mr 1948.
12. Tertullian kennt einen Zustand des Sühneleidens nach dem Tode. Mit Ausnahme der Märtyrer bleiben die Verstorbenen bis zum Tage des Herrn in der Unterwelt und erleiden dort supplicia, aus denen sie durch fürbittendes Gebet der Lebenden in das refrigerium geführt werden (an. 55. 58; resurr. 43; monog. 10). Tertullian war Chiliast (Marc. 3, 24; spect. 30).
Daniélou, VC 1948, 1/16 (typologie millénariste).---- H. Finé, Die Terminologie der Jenseitsvorstellungen bei T., Bonn 1958.---- R. Franco, El final del reino de Cristo en T., Granada 1955/6.---- Pelikan, CH 1952, 108/22 (Eschatology).----Quacquarelli, RassScFilos 2, 2, 1949, 14/17 (Antropologia ed escatologia).----Sevenster, NTT 1954 f, 364/73 (Auferstehung des Fleisches bei T. und im NT).----Siniscalco, AtTor 1960/1, 195/221 (motivo razionale della resurrezione).
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