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ÜBER DIE GEDULD.

[Übersetzt von Dr. K. A. Heinrich Kellner]

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Inhalt:

1. Kap. Der Verfasser bekennt seinen Mangel an Geduld und seine Unwürdigkeit, über diese Tugend zu schreiben. Lob derselben.

2. Kap. Gott selbst ist geduldig.

3. Kap. In Christus haben wir ein vielseitiges Muster der Geduld.

4. Kap. Die Geduld wurzelt im Gehorsam, und der Gott schuldige Gehorsam verpflichtet uns zur Geduld.

5. Kap. Ungeduld war die Ursache der Sünde beim Teufel, bei den ersten Menschen, und ist es bei ihren Nachkommen, besonders beim jüdischen Volke.

6. Kap. Die Geduld ist stets im Gefolge des Glaubens. Die Vervollkommnung des alten Gesetzes, die Christus gebracht hat, bestand wesentlich in erhöhten Anforderungen an die Geduld.

7. Kap. Sie lehrt uns, zeitliche Güter in der rechten Weise zu besitzen und deren Verlust zu ertragen.

8. Kap. Den Beleidigungen muß man Geduld entgegensetzen.

9. Kap. Der Schmerz über den Verlust der Angehörigen wird bei den Christen durch die Geduld gelindert und erträglich gemacht.

10. Kap. Manchmal ist Rachsucht Ursache zur Ungeduld.

11. Kap. Auch sonst sind die Anlässe zu Ungeduld zahlreich. Man muß die Geduld bewahren bei großen und kleinen Leiden, bei selbst verschuldeten wie bei den von Gott zugelassenen Schicksalen.

12. Kap. Die Geduld erhält den Frieden, macht willfährig zur Buße und erweckt Liebe.

13. Kap. Den Leib befähigt die Geduld zur Abtötung, Übung der jungfräulichen Enthaltsamkeit und Ertragung des Martyriums. |35 

14. Kap. Beispiele gottvertrauender Geduld in großen körperlichen Schmerzen.

15. Kap. Wert, Wirkungen und Schönheit der Geduld.

16. Kap. Sie ist nicht zu verwechseln mit Stumpfsinn, Gefühllosigkeit und sittlicher Gleichgültigkeit.

1. Ich muß vor Gott dem Herrn bekennen, daß ich recht verwegen, wo nicht anmaßlich handle, wenn ich mich erkühne über die Geduld zu schreiben, die zu üben ich als ein Mensch ohne jede gute Eigenschaft außerstande bin; denn bei denen, welche den Beweis und die Vertretung irgend einer Sache unternehmen, sollte man zuvor etwas von der Ausübung derselben bemerken und beharrlichen Ermahnungen durch das Beispiel des eigenen Wandels die rechte Richtung geben, damit nicht die Worte ob des Mangels an Taten schamrot werden. 0 daß doch die Schamröte Heilung brächte, daß die Beschämung, nicht getan zu haben, was wir ändern raten wollen zu tun, uns eine Lehre würde! Freilich ist die Größe einiger Tugenden, wie umgekehrt auch die Größe einiger Fehler, erdrückend, so daß die Gnade der göttlichen Eingebung allein es ist, die bewirkt, daß man dieselben faßt und übt. Denn, was im höchsten Sinne gut ist, das steht im höchsten Sinne bei Gott, und kein anderer teilt es aus, als wer es besitzt, und zwar wem er will. Daher wird es eine Art Trost sein, über das zu disputieren, was zu genießen uns nicht gegeben ist, etwa wie die Kranken, solange sie der Gesundheit entbehren, nicht aufhören können, von deren Vorteilen zu reden. Und so muß ich Beklagenswerter, der ich beständig an der Fieberhitze der Ungeduld krank liege, nach der Gesundheit, die in der Geduld besteht, seufzen, darum bitten und darüber reden, indem ich mich erinnere und mir bei der Betrachtung meiner Schwäche überlege, daß gute Gesundheit im Glauben und rechtes Wohlbefinden in der Zucht des Herrn so leicht nicht erlangt wird, wenn nicht die Geduld hilfreich dazu beiträgt.

Die Geduld ist so sehr über die Werke Gottes gesetzt, daß niemand eine Vorschrift zu erfüllen, niemand ein Gott wohlgefälliges Werk zu verrichten imstande |36 ist; der der Geduld entbehrt. Ihre Vortrefflichkeit erkennen auch die, welche ihrer entbehren, durch das ehrende Prädikat: "die höchste Tugend" an. Die Philosophen, von welchen man glaubt, daß sie der Weisheit leben, machen ihr diese Einräumung, so daß sie, bei all ihrer sonstigen Uneinigkeit infolge der Sympathien für die verschiedenen Schulen und die entgegengesetzten Meinungen, dennoch alle miteinander allein der Geduld eingedenk diesen einen Gegenstand ihrer Studien als ein friedliches Gebiet ansehen. In ihr treffen sie zusammen, in ihr schließen sie Frieden, ihrer befleißen sie sich einmütig bei ihrem affektierten Tugendstreben, mit der Geduld tragen sie ihre Weisheit vollständig zur Schau. Es ist eine große Empfehlung für diese Tugend, sogar die eiteln Beschäftigungen der Welt zu ihrem Lobe und Ruhme in Bewegung zu setzen. Oder ist es vielleicht ein Schimpf, wenn etwas Göttliches sich mit den Künsten dieser Welt abgibt? Mögen sie zusehen, da sie sich bald ihrer Weisheit, die mit der Welt zerstört und zu Schanden wird, werden schämen müssen.

2. Was uns Christen zur Ausübung der Geduld bestimmt, ist nicht bloß die menschliche Affektation cyni-scher Gleichmütigkeit, deren Wesen in Stumpfsinn besteht, sondern es ist vielmehr die göttliche Eigentümlichkeit der lebensvollen und himmlischen Lehre, welche uns bereits Gott selbst, das erste Vorbild der Geduld, vorhält, indem er den Lichtglanz des Tages gleichmäßig über Gerechte und Ungerechte ausgießt, die Wohltaten der Jahreszeiten, die Dienste der Elemente, die Gaben jeder zeugenden Kraft Würdigen und Unwürdigen in gleicher Weise zukommen läßt, indem er die undankbaren Heiden, die den Tand der Künste und die Werke ihrer Hände anbeten, die seinen Namen und seine Kinder verfolgen, sowie ihre Unzucht, Habgier, Gottlosigkeit und Bosheit erträgt, obwohl sie täglich frecher werden, so daß seine Langmut seiner Ehre Abbruch tut. Denn viele glauben deswegen nicht an den Herrn, weil sie so lange Zeit hindurch von seinem Zorn gegen die Welt nichts merken. |37 

3. Dies ist freilich eine Art göttlicher Geduld, die uns sozusagen weit entfernt liegt; vielleicht wird sie für die gehalten, die in höhern Regionen waltet. Wie steht es aber mit der Art Geduld, welche, unter den Menschen auf Erden offenbar geworden, gewissermaßen mit Händen zu greifen war? Gott läßt es sich gefallen, im Mutterschoße geboren zu werden; er erwartet den Zeitpunkt. Geboren, erträgt er es, heranzuwachsen; herangewachsen, verlangt er, nicht erkannt zu werden. Er ist seinem eigenen Ruhme hinderlich, läßt sich von seinem Knechte taufen und die Angriffe des Versuchers weist er bloß mit Worten ab. Darauf wird aus dem Herrn ein Lehrer, der die Menschen lehrte, dem Tode zu entgehen -- nachdem er gelernt hatte, wie die beleidigte Geduld vollständig zu versöhnen sei -- er stritt nicht, er schrie nicht zurück und niemand hörte seine Stimme auf den Gassen, das geknickte Rohr zerbrach er nicht und den glimmenden Docht löschte er nicht aus. Denn der Prophet halte nicht gelogen gehabt. Gott selber, der seinen Geist mit dessen ganzer Geduld in seinen Sohn gelegt hatte, gab ihm vielmehr das Zeugnis, Jeden, der ihm anhangen wollte, nahm er auf, keine Tafel und kein Dach verschmähte er, sondern er machte selbst den Diener bei der Fußwaschung seiner Schüler. Die Sünder und Zöllner verachtete er nicht; er war nicht einmal auf die Stadt zornig, die ihn nicht aufnehmen wollte, während die Jünger sogar verlangten, daß sogleich Feuer vom Himmel auf diese schandbare Ortschaft fallen sollte; Undankbare heilte er und den Verfolgern gab er nach.

Noch zu wenig! Auch seinen Verräter hatte er sogar in seiner Nähe, ohne ihn energisch zu brandmarken. Als er verraten war, abgeführt wurde wie ein Stück Vieh zur Schlachtbank -- denn er öffnete seinen Mund so wenig als ein Lamm unter der Gewalt des Scherenden -- da hat er, auf dessen bloßes Wort, wenn er gewollt hätte, Legionen von Engeln erschienen wären, es nicht einmal gebilligt, daß das Schwert eines einzelnen Schülers Rache übte. Die Langmut des Herrn war es, die in der Person des Malchus verletzt wurde. Daher |38 hat er die Taten des Schwertes auch für die Zukunft verflucht und dem, den er selbst nicht geschlagen hatte, durch Wiederherstellung seiner Gesundheit Genugtuung geleistet vermöge seiner Langmut, die die Mutter der Erbarmung ist. Ich schweige davon, daß er gekreuzigt wurde; denn zu dem Zweck war er gerade gekommen. Aber waren denn, um den Tod zu erdulden, etwa auch noch Beschimpfungen vonnöten? Nein, aber er wollte seine Freude am Dulden bei seinem Hintritte recht ersättigen. Er wird angespieen, gegeißelt, verspottet, schimpflich bekleidet und noch schimpflicher gekrönt.

Wunderbare Ausdauer im Gleichmute! Er, der sich vorgesetzt hatte, in Menschengestalt verborgen zu sein, hat doch in nichts die Ungeduld des Menschen nachgeahmt. Daran gerade, ihr Pharisäer, hättet ihr am ersten den Herrn erkennen sollen! Denn keiner unter den Menschen hätte eine derartige Geduld durchgeführt. So große und so viele Beispiele, deren Erhabenheit unsern Glauben vor den Heiden allerdings heruntersetzt, die bei uns aber zu dessen Begründüng und Auferbauung dienen, beweisen nicht bloß durch Worte und Vorschriften, sondern durch die Ausdauer des Herrn selbst in Leiden allen denen, welchen es gegeben ist, zu glauben, deutlich genug, daß die Geduld dem Herrn wesentlich eine Wirkung und ein Vorzug der gewissermaßen angeborenen Eigentümlichkeit sei.

4. Wenn wir sehen, daß alle braven und gutgesinnten Knechte ihr Betragen nach dem Sinne ihrer Herrn einrichten, -- denn der Gehorsam ist das Mittel, sich jemanden geneigt zu machen, das Wesen des Gehorsams aber besteht in willfähriger Unterordnung -- sollten wir da nicht dem Willen des Herrn gemäß uns noch weit mehr als gutwillige Knechte finden lassen, des lebendigen Gottes nämlich, dessen Urteil über seine Diener nicht bloß in Fußfesseln oder in Verleihung der Freiheitsmütze1), sondern in einer ewigen Strafe oder einem ewigen Wohlergehen seinen Ausdruck erhält. Einer |39 solchen Strenge zu entgehen oder diese Freigebigkeit zu gewinnen, dazu ist ein Gehorsam notwendig, dessen Genauigkeit mit der angedrohten strengen Strafe und der versprochenen freigebigen Belohnung in entsprechendem Verhältnis steht. Aber wir erzwingen Gehorsam nicht bloß von Menschen, die im Sklavenverhältnis zu uns stehen oder uns sonst kraft eines ändern Rechtstitels Gehorsam schuldig sind, sondern sogar vom Vieh, welches, wie wir wissen, vom Herrn für unsere Bedürfnisse bestimmt und uns überantwortet ist. Sollten wir uns von dem, was uns durch Gott untergeben ist, übertreffen lassen!? Denn im Gehorsam liegt Anerkennung. Sollten wir anstehen, auf den, welchem allein wir unterworfen sind, zu hören? Wie ungerecht wäre das, ja undankbar, was man durch die Güte eines dritten über andere erlangt hat, ihm von unserer Seite nicht wieder zu gewähren! Doch genug inbetreff der Erweisung des Gehorsams, den wir unsererseits dem Herrn schuldig sind! Wer Gott erkannt hat, sieht auch seine Pflicht und Schuldigkeit zur Genüge ein. Damit es aber nicht scheine, als sei mit Erwähnung des Gehorsams etwas Fremdartiges hereingezogen worden, so bemerke ich, daß der Gehorsam selbst von der Geduld herkommt. Niemals ist ein Ungeduldiger willfährig und niemals ein Geduldiger gehorsam. Wer also noch weitläufig über die Güte dessen handeln wollte, was der Herr, das Vorbild und der Freund alles Guten, an sich selbst zur Schau getragen hat, dem müßte es in gleicher Weise zweifelhaft sein, ob die, welche Gott angehören, die Pflicht haben, aus ganzer Seele allen Tugenden nachzustreben, obwohl sie Gott angehören. Dadurch ist mit Leichtigkeit und gleichsam in der Weise einer summarischen Prozeßeinrede eine Empfehlung und eine Aufmunterung für die Geduld gewonnen.

5. Es ist wohl angebracht und nicht ohne Nutzen, die Erörterung von den notwendigen Grundwahrheiten des Glaubens ausgehen zu lassen. Wortreichtum, obwohl machmal ein Tadel, gereicht in Sachen der Erbauung niemals zum Vorwurf. Und so bringt es die |40 Sache mit sich, wenn also von irgend einer Tugend die Rede ist, auch das Gegenteil davon zu betrachten. Das, wonach man streben muß, wird besser ins Licht gesetzt werden, wenn dargelegt ist, was man folgerecht zu meiden hat. Erwägen wir also in betreff der Ungeduld, ob sie nicht etwa ähnlich wie die Geduld in Gott als das Gegenteil davon von unserm bösen Feinde erzeugt und empfunden sei, und es wird daraus erhellen, wie sehr sie vor allem dem Glauben widerstrebe. Denn, was sein Dasein dem Nebenbuhler Gottes verdankt, das kann fürwahr dem Eigentum Gottes nicht günstig sein! Unter dem Eigentum besteht dieselbe Feindschaft wie unter den Besitzern. Wenn aber Gott die höchste Güte ist, so ist der Teufel im Gegenteil die größte Bosheit. Eben durch ihre Gegensätzlichkeit geben sie zu erkennen, daß keiner dem ändern Vorschub leistet, und es kann ebensowenig den Schein haben, als gehe von dem Schlechten etwas Gutes aus, als von dem Guten etwas Schlechtes. Ich finde also den Ursprung der Ungeduld im Teufel selbst. Denn daß Gott der Herr alle Dinge, die er gemacht, seinem Ebenbilde, d. i. dem Menschen, unterwarf, das ertrug jener schon damals mit Unwillen. Hätte er das geduldet, so hätte er keinen Schmerz darüber empfunden, und wenn er keinen Schmerz empfunden hätte, so hätte er auch keinen Neid gegen den Menschen gehegt. Den letzteren betrog er, weil er ihn beneidete, er hatte ihn aber beneidet, weil er Schmerz empfand, er empfand Schmerz sicher nur deshalb, weil er jenes nicht geduldig ertragen konnte. Wie dieser Engel des Verderbens zu Anfang war, ob erst schlecht oder erst ungeduldig, verschmähe ich zu untersuchen; denn es ist offenbar, daß entweder die Ungeduld mit der Schlechtigkeit oder die Schlechtigkeit mit Ungeduld begonnen hat, daß sie nachher gemeinschaftliche Sache miteinander machten und auf gemeinsamem väterlichen Schöße unzertrennbar heranwuchsen.

Was der Teufel zuerst gefühlt und womit er den ersten Schritt zur Sünde getan hat, ebendasselbe, die Ungeduld, ruft er, durch eigene Erfahrung über die Reizmittel zum Sündigen belehrt, nun seinerseits zu Hilfe, |41 um den Menschen ins Verbrechen hineinzutreiben. Er veranstaltete sofort ein Zusammentreffen mit dem Weibe, und sie wurde, ich will keinen zu kühnen Ausdruck gebraucht haben, schon durch das bloße Gespräch mit ihm von seinem durch Ungeduld verpesteten Geiste angeweht. Sie würde überhaupt gar niemals gesündigt haben, wenn sie, dem göttlichen Gebote gehorchend, Ausdauer bewahrt hätte. Aber sie ließ es sich ferner nicht mit dieser Zusammenkunft für sich allein genügen, sondern in Gegenwart Adams, der noch nicht ihr Ehemann war und ihr noch kein Gehör zu geben brauchte, konnte sie das Schweigen nicht mehr ertragen und machte ihn zum Fortleiter dessen, was sie vom Bösen eingesogen hatte. Es geht nun also auch der andere Mensch durch die Ungeduld des ersten zugrunde; er geht sofort zugrunde auch durch seine eigene Ungeduld, die nun in beiden Beziehungen begangen war, sowohl in betreff der Vorschrift Gottes als der Umgarnung des Teufels, indem er jene zu halten, diese zurückzuweisen nicht ertrug. Das ist der erste Ursprung der Verurteilung und des Verbrechens; da fing Gottes Zorn an, wo der Mensch ihn zu beleidigen angeleitet wurde. Von da an, wo der erste Unwille stattfand, datiert bei Gott das erste Eintreten der Geduld. Er begnügte sich damals mit der bloßen Verfluchung und entsprach den Anforderungen der Strafgerechtigkeit nur am Teufel.

Welches Vergehen gibt es sonst, das dem Menschen vor diesem Ungeduldsfehler zur Last gelegt werden könnte? Er war voll Unschuld, Gott und dem Nächsten Freund und ein Bewohner des Paradieses. Sobald er dagegen einmal der Ungeduld unterlegen war, hörte er auf, an Gott Gefallen zu finden, er hörte auf, die himmlischen Dinge tragen zu können. Von da an war der Mensch der Erde überantwortet, von den Augen Gottes verstoßen und fing an, der Ungeduld leicht zugänglich zu werden für alles, was Gott mißfällt. Denn da die Fruchtbarkeit des Weibes aus der Saat des Teufels sofort eine böse geworden war, so gebar sie alsbald einen Sohn des Zornes und unterrichtete ihren Sprößling in ihren Künsten. Was dem Adam selbst und der Eva |42 den Tod gegeben hatte, das leitete auch ihren Sohn an, den ersten Mord zu begehen. Wenn Kain, dieser erste Mörder und erste Brudermörder, die Verschmähung seiner Opfergaben seitens des Herrn gleichmütig und geduldig ertragen hat, wenn er nicht zornig gegen seinen Bruder wurde, wenn er niemanden getötet hat, dann habe ich keinen Grund, jenen Mord der Ungeduld zuzuschreiben. Wenn er also ohne Zorn keinen Mord begehen und ohne Ungeduld nicht zornig werden konnte, so legt er damit den Beweis ab, daß seine aus Zorn begangene Handlung auf das zurückzuführen sei, was den Zorn eingab.

Das war die Wiege der Ungeduld, die sich damals sozusagen noch in ihrer Kindheit befand. Und welches Wachstum erlangte sie alsbald! Es ist auch kein Wunder, Wenn sie die erste Sünderin war, so folgt notwendig daraus, daß sie, weil die erste, deshalb notwendig auch jeder Sünde ganz allein das Dasein gibt und aus ihrer Fülle die verschiedenen Kanäle des Verbrechens ihren Ausgang nehmen. Vom Morde ist schon die Rede gewesen. Da er jedoch uranfänglich vom Zorn seine Entstehung nahm, so führen auch alle Anlässe, die er nachmals fand, auf die Ungeduld als seinen eigentlichen Ursprung zurück. Mag jemand aus Feindschaft oder eines Raubes wegen dieses Verbrechen begehen, so geht immer die Erscheinung vorher, daß er ein ungeduldiger Sklave des Zornes oder der Habsucht war. Welcher Antrieb auch immer vorhanden ist, ohne Mangel an Geduld kann er nicht zur Verwirklichung gelangen. Wer hat je einen Ehebruch begangen, außer wenn er den Trieb der Lust nicht mehr aushalten konnte? Und wenn dergleichen bei den Weibern auch durch Bezahlung erzwungen wird, so ist ein solches Preisgeben der Keuschheit um Geld sicher doch nur durch ein ungeduldiges Verlangen nach Gewinnst veranlaßt2).

So viel darüber, weil die genannten Laster als die Hauptlaster vor dem Herrn gelten. Jede Sünde ist, um |43 die Sache summarisch zu fassen, auf Rechnung der Ungeduld zu schreiben. Das Böse ist die mangelnde Geduld im Guten. Der Unzüchtige hat keine Geduld dafür, Keuschheit zu üben, der Unehrliche keine für die Rechtschaffenheit, der Gottlose keine für die Frömmigkeit, der Unruhige keine für die Eingezogenheit, Um schlecht zu werden, dazu gehört bei jedem, wer er auch sei, weiter nichts, als daß man im Guten nicht zu verharren vermag. Wie sollte also ein solcher Bandwurm3) von Sünden nicht den Herrn, dem alles Schlechte mißfällt, beleidigen?

Ist es nicht offenkundig, daß das Volk Israel den Herrn fortwährend durch seine Ungeduld beleidigt hat, indem es des Armes, der es aus den Plagen Ägyptens herausgezogen, späterhin vergessend von Aaron Götzen zu Führern begehrt und das beigesteuerte Gold zu einem Götzenbilde umgießt ? Es hatte das so notwendige Verweilen des Moses, der mit dem Herrn redete, mit Ungeduld aufgenommen. Unmittelbar nach dem eßbaren Regen des Manna und dem Geleite des wasserspendenden Felsens verzweifeln sie am Herrn und können einen dreitägigen Wassermangel nicht ertragen. Auch dies wird ihnen als eine Ungeduld vom Herrn zum Vorwurf gemacht. Und um uns nicht ganz ins einzelne zu verlieren -- sie sind mit einem Wort stets nur durch Sünden der Ungeduld umgekommen. Wie hätten sie sonst Hand an die Propheten legen können, als weil sie zum Zuhören keine Geduld hatten? An den Herrn selbst haben sie Hand angelegt; sie hatten nicht einmal Geduld genug, ihn zu sehen. Hätten sie sich zur Geduld bequemt, so wären sie befreit worden.

6. Die Geduld also ist es, welche dem Glauben nachfolgt und vorhergeht; Abraham z. B. glaubte Gott, und es wurde ihm von Gott zur Gerechtigkeit angerechnet; allein die Bewährung empfing sein Glaube erst durch Ausharren, indem ihm befohlen wurde, seinen Sohn zu opfern zur -- ich möchte nicht sagen -- Erprobung seines Glaubens, sondern zu dessen typischer |44 Bezeugung. Im übrigen wußte Gott recht wohl, wen er als gerecht anzusehen hatte, Abraham hörte einen so schweren Auftrag, dessen Vollendung Gott selbst nicht einmal wollte, nicht bloß geduldig an, sondern würde ihn auch, wenn es Gott gefallen hätte, vollzogen haben. Mit Recht ist er also ein Gesegneter, weil gläubig, mit Recht ein Gläubiger, weil geduldig. Darum hat also der durch die Geduld verklärte Offenbarungsglaube, als er durch den Samen Abrahams, der Christus ist, unter den Heiden ausgebreitet wurde und dem Gesetze die Gnade zugesellte, die Geduld als seinen Beistand bei der Erweiterung und Vervollständigung des Gesetzes an die Spitze gestellt, weil sie an der Lehre der Gerechtigkeit bislang einzig und allein noch gemangelt hatte, Denn in der alten Zeit forderte man Auge um Auge, Zahn um Zahn und bezahlte Böses mit Bösem, Es gab ja noch keine Geduld auf Erden, weil noch keinen Glauben, Bis dahin nämlich hatte sich die Ungeduld immer noch die Gelegenheiten zunutze gemacht, welche das Gesetz ihr ließ. Das ging leicht, weil der Herr und Lehrer der Geduld noch fehlte. Nachdem aber dieser gekommen war und die Gnade des Glaubens um die Geduld vermehrt hatte, ist es nicht einmal mehr erlaubt, mit Worten jemanden zu verletzen oder ihn einen Narren zu schelten -- ohne sich der Gefahr des Gerichts auszusetzen. Verboten ist der Zorn, unterdrückt der Unmut, zurückgehalten die freche Hand, unschädlich gemacht die giftige Zunge. Das Gesetz hat mehr gewonnen als verloren, indem Christus sagt: "Liebet eure Feinde, segnet, die euch fluchen, und bittet für eure Verfolger, damit ihr Kinder eures himmlischen Vaters seid"4). Da siehst Du, was für einen Vater wir uns durch die Geduld erwerben. In diesem Grundgesetz ist die ganze Lehre von der Geduld zusammengefaßt, da Böses zu tun nicht mehr erlaubt ist -- auch nicht einmal mit guten Gründen.

7. Wenn wir mm weiter die Veranlassungen der Ungeduld durchgehen, so werden auch die übrigen Vorschriften betreffenden Ortes Antwort geben. Ist die Seele |45 etwa durch den Verlust von Hab und Gut beunruhigt -- fast auf jeder Seite der göttlichen Schriften wird zur Weltverachtung ermahnt, und eine dringendere Ermahnung zur Verachtung des Geldes gibt es nicht als die, daß der Herr selbst ohne Besitz irgendwelcher Reichtümer gefunden wird. Immerfort erklärt er die Armen für gerecht und verdammt die Reichen von vornherein. So hat er als Mittel, die Verluste erträglich zu machen5), den Abscheu vor dem Reichtum im voraus in Bereitschaft und zeigt durch seine Entäußerung von allen Reichtümern, daß auch Einbußen daran nicht in Anschlag zu bringen seien. Was wir, weil der Herr es nicht begehrte, also auch nicht begehren sollen, dessen Verkürzung oder gänzliche Entziehung müssen wir ohne Klage ertragen. Daß die Habsucht die Wurzel aller Übel sei, das hat der Hl, Geist durch den Apostel verkündet6). Glauben wir nicht, daß diese Habsucht etwa bloß in der Begierde nach fremdem Eigentum bestehe! Nein; denn auch, was unser zu sein scheint, gehört uns nicht, weil Gott alles gehört, und wir selber auch. Wenn wir daher bei einem erlittenen Verluste Ungeduld verspüren, so befinden wir uns in einer der Habsucht verwandten Schuld, indem wir uns über den Verlust von etwas, was nicht uns gehört, betrüben. Wir verlangen nach fremdem Gut, wenn wir den Verlust von fremdem Gut ungern ertragen. Wer von Ungeduld über einen Verlust ergriffen wird, der sündigt nahezu gegen Gott selbst, indem er das Irdische höher stellt als das Himmlische. Denn unsere Seele, die wir vom Herrn erhalten haben, hat sich dann von der Liebe zu zeitlichen Dingen verwirren lassen.

Verlieren wir also bereitwillig das Irdische und bewahren wir uns das Himmlische! Mag die ganze Welt zugrunde gehen, wenn ich nur die Geduld als Gewinn davon trage! Wenn jemand sich nicht entschließen kann, |46 einen kleinen, durch Diebstahl, Gewalt oder Nachlässigkeit entstandenen Schaden mannhaft zu ertragen, so wird er schwerlich schnell sein Hab und Gut angreifen, wenn es sich um ein Almosen handelt. Würde wohl jemand, der es gar nicht ertragen kann, sich von einem ändern operieren zu lassen, imstande sein, das Messer selbst an sich zu setzen? Gelassenheit bei Verlusten ist eine gute Vorübung im Schenken und Mitteilen. Wer sich vor einem Verlust nicht fürchtet, der ist auch nicht verdrießlich beim Geben. Wird man, wenn man zwei Röcke hat, dem Nackten einen davon geben wollen, wenn man nicht imstande war, dem, der uns den Mantel nimmt, auch noch den Rock zu geben? Werden wir uns mit dem Mammon der Ungerechtigkeit Freunde machen, wenn wir ihn so lieben, daß wir seinen Verlust nicht ertragen können? Wir werden mit dem zugrunde Gegangenen auch zugrunde gehen. Was können wir hienieden finden, wo wir nur zu verlieren haben? Überlassen wir es den Heiden, bei jedem Verluste ungeduldig zu werden! Sie stellen das Geld womöglich höher als ihr Leben. Sie tun das, wenn sie aus Gewinnsucht vorteilhafte, aber gefährliche Handelsreisen zur See machen, wenn sie auf dem Markte um des Geldes willen vor keinem Unternehmen, wofür eine Verurteilung zu fürchten wäre, zurückschrecken, wenn sie sich zu den Spielen und zum Kriegsdienste anwerben lassen und wenn sie wie wilde Tiere gewaltsame Räubereien begehen. Bei der Verschiedenheit aber, die zwischen uns und ihnen obwaltet, geziemt es sich, das Geld um des Lebens willen, nicht aber das Leben um des Geldes willen einzusetzen, entweder freiwillig, indem wir es verschenken, oder mit Ergebung, wenn wir es verlieren.

8. Sogar unsere Seele und unsern Körper besitzen wir in dieser Welt nur als die Zielscheibe für alle Beleidigungen, und wir unterziehen uns diesen Beleidigungen mit Geduld -- sollten wir da durch den Verlust geringerer Dinge uns noch verletzt fühlen? Fern sei von einem Diener Christi die Schande, daß seine Geduld, die in größern Versuchungen geübt ist, bei Kleinigkeiten zum Falle komme! |47 

Wenn dich jemand durch Tätlichkeiten reizt und herausfordert, so haben wir das Mahnwort des Herrn: "Wenn dich jemand auf die rechte Wange schlägt, so halte ihm auch noch die linke hin"7). Deine Geduld soll bewirken, daß die Nichtswürdigkeit ermüdet. Wie schwer der Schlag durch die Wucht des Schmerzes und des Schimpfes auch sein mag, er wird noch schwerer vom Herrn zurückgegeben. Du schlägst den Nichtswürdigen mehr durch deine Gelassenheit; er wird dann nämlich von demjenigen geschlagen werden, um dessentwillen Du gelassen bleibst. Wenn eine giftige Zunge in Flüche oder Schmähungen ausbricht, so erinnere Dich an das Wort: "Wenn sie euch fluchen, so freuet euch!"8) Der Herr selbst ist vor dem Gesetze zum Verfluchten geworden, und doch ist er allein der Gesegnete, Folgen wir mithin als Knechte dem Herrn und lassen wir uns geduldig verfluchen, um Gesegnete zu werden! Wenn ich ein gegen mich ausgestoßenes freches oder nichtswürdiges Wort nicht gleichmütig genug anhöre, so ist die natürliche Folge, daß ich entweder die Bitterkeit zurückgebe oder im stummen Ärger mich selbst martere. Wenn ich den schlage, der mir flucht, wie kann ich darauf Anspruch machen, die Lehre des Herrn befolgt zu haben, die da besagt, daß der Mensch befleckt werde, nicht durch die Unreinheit der Gefäße, sondern durch das, was aus dem Munde ausgeht9), und daß jedes törichte und überflüssige Wort eine bleibende Verschuldung sei10) ? Davon ist die logische Folge, daß der Herr uns geduldig von ändern zu leiden ermahnt, was er zu tun verbietet.

Ich will noch ein Wort über den Triumph der Geduld hinzufügen. Jedes Unrecht, bestehe es in Worten oder in Tätlichkeiten, nimmt, wenn es auf Geduld stößt, sein Ende und wird zunichte wie ein Geschoß, welches gegen einen Felsen von dauerhaftester Härte geschleudert oder gestoßen wird. Es fällt sogleich macht- und |48 wirkungslos herab, und zurückprallend wütet es zuweilen durch seinen Gegenstoß gegen den, der es abgeschickt hat. Man beleidigt dich in der Absicht, dir Schmerz zu machen, weil der Erfolg des Beleidigers im Schmerz des Beschuldigten besteht. Wenn du also seinen Erfolg zunichte machst dadurch, daß du dich nicht betrübst, so wird die Folge davon sein, daß er sich ärgert über den verfehlten Zweck. Du gehst dann nicht nur nicht schadlos aus, was dir auch allein genügen müßte, sondern du hast noch die Freude, daß dein Feind sich verrechnet hat, und sein Verdruß gewährt dir Sicherheit. Das ist der Nutzen und das Vergnügen, das die Geduld gewährt.

9. Nicht einmal jene Art von Ungeduld, die durch den Verlust unserer Angehörigen herbeigeführt wird, wo dem Schmerz eine Art Recht zur Seite steht, läßt sich verteidigen. Denn man muß der Rücksicht auf den Befehl des Apostels den Vorzug geben, der sagt: "Betrübet euch nicht beim Hinscheiden von irgend jemand wie die Heiden, welche keine Hoffnung haben"11). Und mit Recht. Denn indem wir an die Auferstehung Christi glauben, glauben wir, um derentwillen er gestorben und auferstanden ist, auch an unsere Auferstehung. Da für uns also die Auferstehung der Toten eine feststehende Sache ist, so ist für den Schmerz über den Tod kein Platz mehr, ebensowenig für die Ungeduld in Ertragung des Schmerzes, Warum solltest du es mit Ungeduld ertragen, daß dir vorläufig eine Person entrissen sei, von der du glaubst, daß sie zurückkehren werde? Was du für Sterben hältst, ist nur ein Verreisen. Wer vorausgegangen ist, den darf man nicht betrauern, sondern höchstens nach ihm verlangen. Auch dieses Verlangen muß durch die Geduld gemildert werden. Warum wolltest du den Hingang derer, denen du bald nachfolgen wirst, nicht mit Mäßigung ertragen? Im übrigen ist Ungeduld in dergleichen Dingen auch ein schlechtes Zeichen für unsere eigene Hoffnung sowie eine Abirrung |49 vom Glauben, Sogar Christum selbst beleidigen wir, wenn wir die von ihm Abberufenen beklagen zu müssen glauben und ihren Verlust nicht mit Ruhe ertragen. "Ich wünsche", sagt der Apostel, "aufgenommen zu werden und bei Christus zu sein"12). Er hält uns einen ganz ändern Gegenstand des Begehrens vor! Sind wir nun traurig und ungeduldig, wenn andere ihre Wünsche erreicht haben, dann haben wir selbst den Wunsch nicht, sie zu erreichen.

10. Es gibt noch einen ändern sehr starken Antrieb zur Ungeduld, das ist die Rachsucht, welche entweder im Interesse des Ehrgeizes oder der Bosheit handelt. Der Ehrgeiz ist überall töricht und die Bosheit ist immer Gott verhaßt, am meisten jedoch in diesem Stücke, wenn sie nämlich, durch die Bosheit eines ändern herausgefordert, in Ausübung der Rache sich über ihn erhebt und das Böse, was einmal geschehen ist, im Streben nach Vergeltung überbietet. Einer irrtümlichen Auffassung erscheint die Rache als ein Trost im Schmerze, im Lichte der Wahrheit aber finden sich an ihr nur schlechte Eigenschaften. Was ist denn für ein Unterschied zwischen dem Herausforderer und dem Herausgeforderten? Nur der, daß jener früher bei einer Schlechtigkeit betroffen wird, der andere später. Beide sind vor dem Herrn, der jede Nichtswürdigkeit verbietet und verdammt, der Beleidigung eines Menschen schuldig. Bei schlechten Handlungen kommt es aber auf die Aufeinanderfolge nicht an und der Ort macht keinen Unterschied in dem, was die innere Ähnlichkeit zusammengesellt.

Daher wird in uneingeschränkter Weise befohlen, Böses nicht mit Bösem zu vergelten. Gleichartige Handlungen finden gleichartige Vergeltung. Wie werden wir diese vermeiden, wenn wir bei unserm Abscheu vor der schlechten Tat keinen Abscheu vor der Rachsucht haben? Welchen Tribut der Ehre werden wir Gott darbringen, wenn wir uns das Urteil und die Verteidigung |50 angemaßt haben, wir, die Kinder der Verwesung, die irdenen Gefäße? Wenn unsere Sklaven sich über ihre Mitsklaven das Rächeramt anmaßen, so fühlen wir uns schwer beleidigt, die aber, welche sich uns geduldig überlassen, loben wir, nicht nur als ihrer Niedrigkeit, ihres Sklavenstandes eingedenk, als Leute, welche die Ehre ihres Herrn lieben, sondern wir verschaffen ihnen noch größere Genugtuung, als sie selbst für sich in Anspruch würden genommen haben. Bleibt uns letzteres bei einem im Urteilen so gerechten und in seinen Taten so mächtigen Herrn nicht sicher? Warum halten wir ihn noch für den Richter, wenn wir ihn nicht für den Rächer halten? Er verspricht es uns mit den Worten: "Die Rache mir, und ich will vergelten"13), d. h. so viel als: Die Geduld mir, und ich will die Geduld belohnen. Wenn er sagt: "Wollet nicht richten, damit ihr nicht gerichtet werdet"14), fordert er denn damit nicht Geduld? Nur der richtet den Nächsten nicht, der geduldig ist und sich nicht verteidigt. Richtet etwa einer, um zu verzeihen! Und wenn er auch verzeiht, so würde er doch die Ungeduld des Richtenden für sich in Anspruch genommen und dem einzig wahren Richter, das ist Gott, die Ehre entzogen haben.

Wie viele Unfälle aber hat eine solche Ungeduld in der Regel über sich gebracht! Wie oft hat sie ihre Selbstverteidigung bereut? Wie oft ist ihre Hartnäckigkeit schlimmer geworden als die Veranlassung dazu war! Denn was die Ungeduld einmal unternommen hat, das kann sie nicht ohne Ungestüm zu Ende bringen; alles, was mit Ungestüm geschieht, stößt an, oder hat keinen Bestand, oder vergeht jählings, Ist die Verteidigung deiner Person eine zu laue, so wirst du wütend werden; geht sie zu weit, so wirst du beschwert. Was soll ich mich mit der Rache befassen, worin das rechte Maß zu halten ich nicht imstande bin wegen meiner durch den Ärger erregten Ungeduld? Wenn ich mich der Geduld befleißige, so werde ich keinen Ärger |51 empfinden, empfinde ich keinen Ärger, so werde ich nicht nach Rache verlangen.

11. Nachdem wir die genannten hauptsächlichsten Veranlassungen der Ungeduld nach Kräften vorgeführt haben, was sollen wir uns da noch mit den übrigen herumschlagen, welche es in und außer dem Hause gibt? Weit ausgebreitet und umfassend ist die Wirkungssphäre des bösen Feindes, der gar vielfältige Beunruhigungsgeschosse des Geistes spielen läßt, bald geringfügige, bald große. Das Geringfügige magst du eben wegen seiner Kleinheit verachten, dem Großen aber wegen seiner Unüberwindlichkeit nachgeben. Wo die Unbill gering ist, da bedarf es der Geduld nicht; wo dagegen die Unbill bedeutender ist, da ist auch die Anwendung des Heilmittels gegen das Unrecht, der Geduld, um so notwendiger. Kämpfen wir also um die Wette, die Übel, welche der Böse zufügt, zu ertragen, damit die Bestrebungen des Feindes durch unsere mit ihm wetteifernde Geduld zuschanden werden. Wenn wir selber, sei es aus Unklugheit oder freiwillig, Unglück über uns herabgezogen haben, dann wollen wir, was wir uns selbst zuschreiben, eben geduldig hinnehmen. Und wenn uns einiges so vorkommt, als sei es uns vom Herrn auferlegt, gegen wen sollten wir mehr Geduld an den Tag legen als eben gegen den Herrn? Er leitet uns sogar überdies dazu an, uns zu gratulieren und uns zu freuen, daß wir der göttlichen Züchtigung gewürdigt sind! "Die ich liebe, sagt er, züchtige ich"15), O wie glücklich jener Knecht, dessen Besserung der Herr betreibt, dem zu zürnen er sich würdigt, den er nicht durch Unterlassung der Mahnung verblendet!

In jeder Richtung also sind wir verpflichtet, Geduld zu üben; von welcher Seite her das Übel auch komme, durch unsere eigenen Verirrungen, infolge der Nachstellungen des bösen Feindes oder durch die Mahnungen des Herrn -- der Lohn für ihre Leistung ist immer groß, nämlich die Seligkeit. Denn wen hat der Herr glückselig genannt? Nur die Geduldigen, indem er sagt: |52 "Selig sind die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich"16). Arm im Geiste ist aber nur der Demütige. Wer aber ist demütig als nur der Geduldige? Denn niemand kann sich unterwerfen ohne die Unterwerfung seiner selbst, was die erste Stufe der Geduld ist, "Selig", sagt er "sind die Weinenden und Trauernden." Wer kann dergleichen ertragen ohne Geduld? Solchen wird Beistand und Frohlocken versprochen. "Selig sind die Sanftmütigen." In diese Bezeichnung kann man die Ungeduldigen nun einmal nicht einbegreifen. Wenn er die Friedfertigen ebenfalls mit dem Prädikat "Glückselig" beehrt und sie Kinder Gottes nennt, so frage ich, sind etwa die Ungeduldigen dem Frieden nahe? Das wird nur ein Tor meinen. Wenn er vollends sagt: "Freuet euch und frohlocket, so oft sie euch verfluchen und verfolgen, denn sehr groß wird euer Lohn im Himmel sein"17), so verspricht er dieses Frohlocken sicherlich nicht der Ungeduld, weil niemand in Widerwärtigkeiten frohlockt, er habe sie denn vorher verachtet. Niemand aber wird sie verachten, wenn er nicht Geduld besitzt.

12. Was die Übung der Friedfertigkeit, die Gott so angenehm ist, betrifft, so frage ich, welcher Mensch, der überhaupt der Ungeduld ergeben ist, wird, ich will nicht sagen siebenmal und siebenzigmal siebenmal, sondern auch nur ein einziges Mal seinem Bruder verzeihen? Wer wird, wenn er gegen seinen Gegner einen Prozeß angestrengt hat, die Sache durch Vergleich beilegen, außer er hat vorher schon seinen Unwillen, seine Härte und Bitterkeit, d. i. das Gift der Ungeduld, unterdrückt? Wie wäre es dir möglich, zu vergeben und Vergebung zu erlangen, wenn man aus Mangel an Geduld zäh beim Unrecht beharren wollte? Niemand, der im Geiste gegen seinen Bruder aufgebracht ist, wird seinen Dienst am Altar vollenden, außer er sei vorerst durch Aussöhnung mit seinem Bruder zur Geduld zurückgekehrt. Ist erst die Sonne über unserm Zorne untergegangen, |53 dann sind wir in Gefahr, Es ist uns nicht erlaubt, auch nur einen einzigen Tag ohne Geduld zu bleiben.

Wenn die Geduld jede Art der Heilshandlungen leitet und regiert, was Wunder dann, daß sie auch der Buße dient, welche das gewöhnliche Hilfsmittel für die Gefallenen ist, sie erhofft, ersehnt und erbittet die Buße für die, welche einst zum Heile gelangen sollen. Wie großen Vorteil schafft das beiden! da sie trotz Trennung der Ehe -- allerdings nur aus einem Grunde, woraufhin es beiden, dem Manne und der Frau, erlaubt ist, in Absonderung zu verharren -- den einen Teil nicht zum Ehebrecher macht und den ändern läutert18). So findet sie sich auch an den Beispielen derer in den Gleichnissen des Herrn, die durch Geduld gerettet werden19). Die Geduld des Hirten ist es, welche das verirrte Schaf aufsucht und findet. Denn Ungeduld hätte sich aus dem einzelnen Schafe wohl nichts gemacht. Aber die Geduld nimmt die Mühe des Suchens über sich, und der geduldige Träger bringt das verlassene Sündenschaf noch dazu auf seinen Schultern herbei. Den verschwenderischen Sohn nimmt die Geduld des Vaters wieder auf, kleidet ihn, nährt ihn und entschuldigt ihn auch gegen die Ungeduld des zürnenden Bruders. Gerettet ist also, wer verloren war, weil er die Buße angetreten hat.

Die Buße ist nicht verloren, weil sie die Geduld gefunden hat. Denn die Liebe, dieses höchste Geheimnis des Glaubens, das Kleinod des christlichen Bekenntnisses, welches der Apostel mit allen Kräften, die der Hl. Geist ihm gibt, anempfiehlt -- sie wird erlernt nur durch die Schule der Geduld allein. "Die Liebe", sagt er, "ist großmütig" -- so hat sie sich die Geduld zu eigen gemacht. "Sie ist gütig" -- die Geduld tut nichts Böses. "Sie beneidet nicht" -- das gerade ist die Eigentümlichkeit der Geduld. "Sie ist nicht übermütig" -- sie hat aus der Geduld Bescheidenheit geschöpft. "Sie ist nicht aufgeblasen, nicht unbescheiden" -- das eben paßt nicht |54 zur Geduld. "Sie sucht auch nicht das ihrige" -- sie gibt das ihrige hin, falls es dem ändern nicht schadet, "Sie läßt sich auch nicht reizen" -- dann hätte sie der Ungeduld noch Raum gegönnt. Deswegen sagt er: "Die Liebe erträgt alles, sie duldet alles"20), -- natürlich weil sie geduldig ist. Sie wird also mit Recht niemals aufhören, denn alles übrige wird vergehen und ein Ende nehmen. Erschöpfen wird sich die Sprachengabe, die Gabe der Wissenschaft und der Weissagung: es bleiben aber Glaube, Hoffnung, Liebe -- der Glaube, den Christi Geduld eingeführt hat, die Hoffnung, welche des Menschen Geduld erwartet, und die Liebe, welcher nach Anleitung Gottes die Geduld als Begleiterin dient.

13. So viel über die Geduld, insofern sie einfach ist und einseitig nur in einer Tätigkeit der Seele besteht. Sie eben ist in vielfacher Weise behilflich, auch am Körper sich das Wohlgefallen des Herrn zu erwerben21). Ist sie doch vom Herrn selbst als eine Tugend auch des Leibes öffentlich geübt worden, da der Geist als Herrscher sein Wohnhaus mit Leichtigkeit an den geistigen Eingebungen teilnehmen läßt.

Welches ist also die Tätigkeit der Geduld in der Sphäre des Leibes? Vor allem die Kasteiung des Fleisches, als eine Sühngabe für den Herrn mittels des Opfers der eigenen Verdemütigung, wobei sie Trauerkleidung in Verbindung mit kärglicher Nahrung dem Herrn darbringt, sich begnügend mit einfacher Kost und einem Trunke reinen Wassers, Fasten an Fasten reiht und in Sack und Asche verharret. Diese Geduld des Körpers gereicht dem Bittgebet zur Empfehlung und dem Gebet um Befreiung zur Bekräftigung. Sie ist es, die das Ohr Christi uns öffnet, die Strenge fern hält und die Milde herabruft. So z. B. lebte jener babylonische König, nachdem er den Herrn beleidigt hatte, sieben Jahre in Schmutz und Unflat, fern von aller Menschenweise. Nachdem er das Opfer der Geduld seines Körpers dargebracht hatte, erhielt er seine Königswürde |55 wieder, und hatte, was dem Menschen noch wünschenswerter ist, auch Gott Genugtuung geleistet.

Wenn wir nun gar auf höhere und glückseligere Grade der körperlichen Ausdauer bedacht sind, so ist eben auch die Geduld es, welche in der Enthaltsamkeit des Fleisches Gelegenheit zur Heiligkeit darbietet. Sie ist es, welche die Witwe Witwe bleiben läßt, welche die Jungfrau bewahrt und den freiwillig Verschnittenen zum Himmelreich erhebt.

Was der Kraft der Seele entstammt, das findet im Fleische seine Vollendung, und so kämpft das Fleisch kraft seiner Ausdauer bei den Verfolgungen seinen Kampf. Wenn die Flucht22) bevorsteht, so überwindet das Fleisch die Beschwerden der Flucht. Wenn aber die Einkerkerung derselben zuvorkommt, so ist es der Leib, der sich in Fesseln befindet, im Block auf der nackten Erde, im spärlichen Kerkerlicht und in der Verlassenheit von der Welt. Wird man sodann vorgeführt zum Probekampf um die Seligkeit, zu der Gelegenheit, die Taufe zu erneuern, zum Hinaufsteigen an den Sitz der Gottheit selbst, dann kommt es auf nichts mehr an als auf Ausdauer des Körpers. Wenn der Geist zwar willig, das Fleisch aber ohne Ausdauer und schwach ist, wo bleibt da das Heil des Geistes wie des Fleisches selbst? Weiter, wenn der Herr so vom Fleische spricht und es schwach nennt, so weist er auf das hin, dessen man zur Stärkung des Fleisches bedarf, nämlich auf die Ausdauer gegen alles, was zur Ausrottung oder Bestrafung der Gläubigen dient, damit sie Schläge, Feuer, Kreuz, wilde Tiere und Schwerter aufs standhafteste ertragen, Leiden, durch deren Ertragung auch die Propheten und Apostel zum Siege gelangt sind.

14. In kraft dieser Geduld läßt sich Isaias zersägen und hört nicht auf, vom Herrn zu reden; Stephanus wird gesteinigt und fordert Vergebung für seine Feinde. Gedenken wir auch jenes glückseligen Mannes, der jede Art von Geduldsprobe gegen die Macht des Teufels siegreich bestanden hat, den weder die |56 Wegtreibung seines Herdenreichtums23) an Kleinvieh, weder der gleichzeitige Verlust seiner Kinder durch den wuchtigen Einsturz, noch sein eigenes Geplagtsein durch Wunden des Körpers von der Geduld und von der dem Herrn schuldigen Treue abwendig machte. Der Teufel hat ihn mit aller seiner Macht vergeblich geschlagen. Er ließ sich nicht einmal von der schuldigen Ehrfurcht gegen Gott abbringen, sondern hielt stand, uns zum Exempel und zum Zeugnis, wie man sowohl im Geiste als am Fleische, am Leibe und mit der Seele Geduld zu üben habe, so daß wir weder bei Schaden an zeitlichen Gütern, noch bei Verlust teurer Personen, noch auch bei körperlichen Heimsuchungen unterliegen. Was für eine Trophäe gegenüber dem Teufel hat sich Gott an diesem Manne auferbaut, wie hat er ihn als das Panier seines Ruhmes über seinen Widersacher erhoben, indem er bei jeder herben Botschaft kein anderes Wort aus seinem Munde entschlüpfen ließ als: "Gott sei Dank" und seiner Frau, die, vom Unglück schon verzagt gemacht, zu verkehrten Hilfsmitteln riet, Verweise gab! Wie freute sich Gott, wie wollte der Böse bersten, als Job die unreinen Aussonderungen seiner Geschwüre mit großer Seelenruhe abschabte, und die herausbrechenden Tierchen24) scherzend in die Tiefen und Weideplätze seines auf geborstenen Fleisches zurücktrieb! So hat dieser Krieges- und Siegesheld Gottes, nachdem er alle Geschosse der Versuchung mit dem Panzer und dem Schild der Geduld abgewehrt, auch die volle Gesundheit seines Leibes und den frühern Besitz doppelt von Gott wieder erlangt. Und wenn er gewünscht hätte, daß ihm auch seine Kinder wiedergegeben würden, so hätte er |57 nochmals den süßen Vaternamen hören können. Jedoch er wollte lieber, daß sie ihm am jüngsten Tage wiedergegeben würden. Diese große Freude schob er sich noch auf im Vertrauen auf den Herrn. Er ertrug für jetzt Kinderlosigkeit freiwillig, um nicht ohne irgend eine Übung der Geduld zu leben.

15. Bei Gott ist unsere Geduld in hinreichend sicherer Verwahrung. Wenn man ein erlittenes Unrecht bei ihm hinterlegt -- er rächt es; ist es ein Schaden -- er gleicht ihn aus; ist es ein Schmerz -- er ist Arzt; ist es der Tod -- er weckt wieder zum Leben auf. Wie vielen Spielraum hat nicht die Geduld, um Gott zum Schuldner zu machen! Denn sie gibt auf alles acht, was ihm wohlgefällig ist, sie spielt bei allen seinen Geboten ihre Rolle. Sie ist es, die den Glauben befestigt, den Frieden regiert, die Liebe unterstützt, der Demut Anleitung gibt, die Reue abwartet, der Buße das Siegel aufdrückt, das Fleisch beherrscht, den Geist bewahrt, die Zunge zügelt, die gewalttätige Hand zurückhält, die Versuchungen niedertritt, die Ärgernisse verbannt, die Martyrien vollendet, den Armen tröstet, dem Reichen Mäßigung auferlegt, dem Kranken die Zeit abkürzt, den Gesunden nicht verzehrt, den Gläubigen erfreut, den Heiden anzieht, den Knecht dem Herrn und den Herrn dem Knechte empfiehlt, die das Weib ziert und den Mann vollkommen macht; am Knaben wird sie geliebt, am Jüngling gelobt, am Greise geachtet; jedem Geschlecht und jedem Alter steht sie wohl an.

Wohlan, wir wollen nun auch ihre Züge und ihr Äußeres zu beschreiben suchen! Der Ausdruck ihres Antlitzes ist voll Ruhe und Frieden, ihre Stirn frei, nicht von Trübsinn oder Zorn gerunzelt. Ihre Augen sind mit dem Ausdruck der Freude erhoben und nicht etwa die Brauen sorgenvoll heruntergesenkt. Um ihren Mund schwebt anstandsvoller, stiller Ernst, ihre Gesichtsfarbe verrät keine Aufgeregtheit, sondern ein unschuldiges Leben, die häufigen Wendungen des Hauptes sind gegen den Teufel gerichtet und ihr Lächeln ist für ihn eine Drohung. Ihre Kleidung aber um den Oberteil |58 des Körpers ist weiß und dem Körper anschließend, so daß sie nicht im Winde spielt und bewegt wird. Denn sie sitzt ja auf dem Throne seines Geistes, der so milde und sanft ist, der nicht im Knäuel des Wirbelwindes25), nicht im blaugrauen Gewölke wehet, sondern der ein Hauch zarten Lichtes ist, einfach und klar, wie ihn Elias zum dritten Mal sah. Wo Gott ist, da ist auch sein Pflegekind, die Geduld.

Wenn also der Geist Gottes herabsteigt, so ist die Geduld seine unzertrennliche Begleiterin. Wenn wir ihn nicht mit dem Geiste zugleich Einlaß geben, wird letzterer dann für immer bei uns verweilen? Nein, ich weiß nicht, ob er länger bleiben würde. Ohne seine Begleiterin und Dienerin muß er sich zu jeder Zeit und an jedem Ort beengt fühlen. Was sein Widersacher auch immer Böses unternimmt, er wird es allein nicht zu ertragen vermögen, indem ihm dann das notwendige Hilfsmittel zum Ertragen abgeht.

16. Das ist die Geduld in der Theorie, das der Praxis nach; das sind ihre Werke, wenn sie die himmlische und wahre, wenn sie nämlich die christliche Geduld ist. Denn um auch in dieser Sache sich mit dem Herrn als Rivale sozusagen ganz auf gleichen Fuß zu stellen -- nur daß dabei eben der Unterschied des Guten und Bösen ebenso an Größe sich gleich bleibt --, darum, sage ich, hat der Teufel den Seinigen auch eine besondere Art von Geduld beigebracht, eine Geduld, vermöge deren sich Ehemänner, die um eine Mitgift erkauft sind oder in Kuppelei Geschäfte machen, der Gewalt ihrer Frauen unterordnen, eine Geduld, vermöge deren man, um kinderlose Leute zu fangen26), alle Beschwerden, welche eine gezwungene Anhänglichkeit auferlegt, mit erheuchelter Zuneigung erträgt; eine Geduld, welche den Bauchdiener27) in schmachvoller Abhängigkeit mit Aufopferung der Freiheit zum Sklaven seiner Freßgier macht. Das sind die Ziele der Geduld, |59 welche die Heiden kennen, und für so schnöde Bestrebungen nehmen sie den Namen eines so großen Gutes in Anspruch. Sie leben in geduldiger Ertragung ihrer Nebenbuhler, der reichen Leute und ihrer Gastgeber -- nur Gott allein können sie nicht ertragen. Doch lassen wir sie mit ihrer und ihres Fürsten Geduld! Das unterirdische Feuer harrt ihrer. Lieben wir dagegen die Geduld Gottes, die Geduld Christi; vergelten wir diesem die Geduld, die er für uns aufgeboten hat! Bringen wir als unser Opfer dar die Geduld des Herzens und die Geduld des Leibes, da wir ja an die Auferstehung des Fleisches und des Geistes glauben


1. 1) Welche den Sklaven als Symbol der Freilassung gegeben wurde.

2. 1) Ich glaube den Nachsatz bei venditio beginnen lassen zu sollen, ebenso die Ed. Vindob. von 1906.

3. 1) Im Text steht excetra, was eine Schlange bedeuten soll.

4. 1) Matth. 5, 44 f.

5. 1) Der Sinn dieser Stelle kann nicht zweifelhaft sein, die Lesart der Handschrift detrimentum (vgl. Ed. Vindob.) aber ist offenbar verderbt. Fulvius Ursinus und Rigaltius helfen durch die Aenderung: detrimentorum hinreichend aus. 

6. 2) 1 Tim. 6, 10.

7. 1) Matth. 5, 39.

8. 2) Ebd. 5, 12.

9. 3) Mark. 7, 15.

10. 4) Matth. 12, 36.

11. 1) 1 Thess. 4, 12.

12. 1) Phil 1. 23.

13. 1) Deut. 32 85. 

14. 2) Matth. 7, 1.

15. 1) Sprichw. 3, 12.

16. 1) Matth. 5, 4. 

17. 2) Ebd. 5, 11 f.

18. 1) Bei den Verheirateten gehörte zur Bußübung die Enthaltung vom ehelichen Umgang während der Dauer der Exomologese. Der Satzteil cum disjuncto matrimonio folgt in der Ed Vind. erst nach confert, bei Öhler hinter subvenire.

19. 2) Nach der Lesart: salvis der Ed. Vindob.

20. 1) 1 Kor. 13, 2-7.

21. 2) Nach der Lesart eadem und adlaboret. Kroymann setzt allaboremus.

22. 1) Bei ausbrechender Verfolgung.

23. 1) Der Text bietet illae. Allein der Bau sowie der Sinn des Satzes lassen vermuten, daß hier korrespondierend dem abacti et adempti ein Partizip gestanden hat, welches dem Bericht Job 1, 2: die Schafe seien vom Blitz erschlagen, entspricht, etwa igni tactae. Denn nicht der Reichtum, sondern der Verlust desselben war eine Probe der Geduld. Kroymann schließt greges non in Klammern ein.

24. 2) Tertullian meint demnach, daß bei dem Aussatz Jobs ein Ausbrechen von Würmern oder Ungeziefer stattgefunden habe.

25. 1) 3 Kön. 19, 11 ff.

26. 2) D. h. deren Hinterlassenschaft.

27. 3) Die Schmarotzer.


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Übersetzt von Heinrich Kellner, 1912/1915.  Übertragen durch Roger Pearse, 2002.


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