[Übersetzt von Dr. K. A. Heinrich Kellner]
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Inhalt:
I. Buch.
1. Kap. Daß das weibliche Geschlecht sich schmücke, verträgt sich nicht mit der Stellung, worin es durch den Sündenfall geraten ist.
2. Kap. Die zum Putz dienenden Sachen und Geräte sind diabolischen Ursprungs, wie das Buch Henoch lehrt.
3. Kap. Die Echtheit des Buches Henoch wird verteidigt.
4. Kap. Übergang zum Thema.
5. Kap. Gold und Silber sind Erdarten wie andere und an sich um nichts besser als andere Metalle.
6. Kap. Dasselbe gilt von den Edelsteinen und Perlen.
7. Kap. Der Wert dieser Dinge beruht nur auf ihrer Seltenheit und der Wertschätzung, welche die Vorstellung der Menschen ihnen beilegt.
8. Kap. Was Gott geschaffen hat, darf man nicht künstlich umgestalten, noch auch die Dinge anders gebrauchen, als wozu Gott sie bestimmt hat.
9. Kap. Durch solchen Mißbrauch bekommen die Dinge oft einen ganz ändern Wert, als sie wirklich haben.
II. Buch.
1. Kap. Die Gefallsucht, die sich der Toilettenkünste als Mittel bedient, verträgt sich nicht mit wahrhaft keuschem Sinne.
2. Kap. Durch die Gefallsucht kann das Weib Gegenstand sündhaften Verlangens werden und sich fremder Sünden teilhaftig machen.
3. Kap. Was der Christ von der körperlichen Schönheit und Anmut denken soll. |176
4. Kap. Verheiratete Frauen haben keinen triftigen Grund, ihre Schönheit zu erhöhen.
5. Kap. Die Anwendung von Schönheitsmitteln ist gewissermaßen ein Frevel gegen Gottes Schöpferweisheit.
6. Kap. Das Haar zu färben, ist eine Unsitte und Verkehrtheit.
7. Kap. Über den falschen Haarschmuck und die künstlichen Frisuren.
8. Kap. Noch mehr als bei Weibern widersprechen bei Männern Toilettenkünste dem christlichen Ernste.
9. Kap. Die Christin muß nicht nur allen Toilettenkünsten, sondern auch dem erlaubten standesgemäßen Schmuck entsagen, aus Rücksicht auf die Bedrängnis der gegenwärtigen Zeiten.
10. Kap. Kostbarkeiten und Schmuck soll für die Christen nur dazu vorhanden sein, um sich durch Enthaltung davon in der Entsagung zu üben.
11. Kap. Einfachheit in der Kleidung geziemt sich für den Christen und dient zur Verherrlichung Gottes.
12. Kap. Auch den bloßen Schein buhlerischer Absichten muß man meiden und sich einfach kleiden.
13. Kap. Die Putzsucht verweichlicht, macht unlustig zur Erfüllung der christlichen Pflichten und unfähig, in der Verfolgung standhaft zu bleiben.
I. BUCH.
1. Wenn es hier auf Erden einen Glauben gäbe, der an Größe dem Lohne entspräche, der im Himmel seiner wartet, dann würde von dem Tage an, wo Ihr, geliebteste Mitschwestern, den lebendigen Gott erkannt habt und Euch über Euren eigenen, d. h. des Weibes, Zustand klar geworden seid, keine mehr einen gefälligen, geschweige denn einen prachtvollen Anzug begehren, sondern jede würde lieber in Trauer leben, ja sogar ihr Äußeres vernachlässigen, da jede in sich selbst eine trauernde und büßende Eva herumträgt. Sie würde dann durch Bußkleidungen jeder Art um so vollständiger sühnen helfen, was Eva verschuldet hat, ich meine den schmählichen Sündenfall und den trostlosen Untergang |177 der Menschen. In Schmerzen und Ängsten mußt du gebären, o Weib, zum Manne mußt du dich halten, und er ist dein Herr, Und du wolltest nicht wissen, daß du eine Eva bist? Noch lebt die Strafsentenz Gottes über dein Geschlecht in dieser Welt fort; dann muß also auch deine Schuld noch fortleben. Du bist es, die dem Teufel Eingang verschafft hat, du hast das Siegel jenes Baumes gebrochen, du hast zuerst das göttliche Gesetz im Stich gelassen, du bist es auch, die denjenigen betört hat, dem der Teufel nicht zu nahen vermochte. So leicht hast du den Mann, das Ebenbild Gottes, zu Boden geworfen. Wegen deiner Schuld, d. h. um des Todes willen, mußte auch der Sohn Gottes sterben, und da kommt es dir noch in den Sinn, über deinen Rock von Fellen Schmucksachen anzulegen!? Wohlan, tue es; wofern von Anfang der Welt an die Milesier Schafe geschoren, die Serer Seide gesponnen, die Tyrier gefärbte, die Phrygier gestickte und die Babylonier golddurchwirkte Kleider bereitet haben, wofern die Perlen in weißem und die Rubinen in rotem Glänze gestrahlt haben, wenn das Gold damals bereits danach begierig war, aus der Erde gefördert zu werden, der Spiegel bereits lügen durfte und die aus dem Paradiese verstoßene, bereits, wie mir scheint, tote Eva nach dergleichen Dingen Verlangen trug! Folglich darf auch jetzt solche Dinge nicht begehren oder auch nur kennen die, welche Verlangen hat, wieder belebt zu werden und solche Dinge nicht kannte, als sie lebte. Das alles ist nichts als ein Ballast für das verurteilte und geistig tote Weib und dient ihr gleichsam als Leichenpomp.
2. Auch die, durch welche diese Dinge in Aufnahme gekommen sind, wurden verworfen und der Todesstrafe überwiesen, jene Engel, welche vom Himmel zu den Töchtern der Menschen herabsanken, so daß auch diese Schmach noch das Weib traf. Nachdem sie die Welt, welche besser unwissend geblieben wäre, gewisse Stoffe und viele Künste, die besser unbekannt und verborgen geblieben wären, kennen gelehrt hatten ---- Bergwerke bloßgelegt, Kräfte der Krauter entdeckt, mit den |178 Wirkungen der Besprechungen bekannt gemacht und jeglichen Vorwitz bis zur Deutung der Gestirne geweckt hatten, ---- da haben sie im eigentlichen Sinne und gleichsam ganz speziell noch den Weibern die Mittel der weiblichen Prunksucht verschafft, die leuchtenden Steinchen, womit die Halsbänder in so verschiedener Weise geschmückt, die goldenen Spangen, womit die Arme beschwert, die Zusammensetzung der Schminke, womit die Wangen1) gefärbt und endlich auch noch das schwarze Pulver, womit die Grenzlinien über den Augen gezogen werden.
Hinsichtlich des Charakters dieser Dinge kann man sich schon wegen der Beschaffenheit und der Art der Lehrmeister sofort das Urteil erlauben, daß Sünder nicht zur Unschuld, Weibernarren nicht zur Keuschheit, abtrünnige Geister nicht zur Gottesfurcht anleiten und verhelfen konnten, Wenn man hierbei von Lehren reden darf, so konnten schlechte Lehrmeister notwendigerweise auch nur schlechte Lehren geben. Waren es aber Belohnungen für die gewährte Lust, so ist der Lohn für eine schlechte Sache niemals löblich. Warum lag ihnen aber denn so viel daran, so etwas zu lehren und zu gewähren? Hätten denn nicht die Weiber auch ohne diese glänzenden Dinge und ohne künstlichen Schmuck den Männern gefallen können, da sie, ungeputzt, ungeschmückt, um mich so auszudrücken, noch unkultiviert und roh, schon auf Engel Eindruck machten? Oder hätten letztere etwa als lumpige Liebhaber dagestanden, die schimpflicherweise die Gefälligkeiten umsonst begehren, wenn sie den Weibern, die sie zum ehelichen Umgang verlockten, nichts mitbrachten? Aber das läßt sich doch nicht denken. Die Weiber, welche Engel ihr eigen nannten, hätten eigentlich gar nichts weiter begehren können, da sie gut verheiratet waren. Jene dagegen, welche gewiß zuweilen an den Ort dachten, aus dem sie verstoßen waren, und nach dem Himmel zurückverlangten, nachdem die Augenblicke der Lust verflogen waren, die haben jenes Gut des natürlichen, |179 weiblichen Liebreizes, die Ursache ihres Unglücks, den Frauen derart gelohnt, daß denselben ihr Glück nichts nützte, sondern sie, ihrer Einfalt und Lauterkeit beraubt, zugleich mit jenen Engeln Gegenstand des Mißfallens Gottes wurden. Diese wußten gewiß, daß alle Ruhmsucht, aller Ehrgeiz und das Bestreben, durch das Fleisch zu gefallen, Gott mißfällig sei. Es sind nämlich diejenigen Engel, welche wir richten werden; es sind diejenigen Engel, denen wir bei der Taufe widersagen; es sind die Dinge, um derentwillen sie von Menschen gerichtet zu werden verdienen. Was haben nun ihre Sachen bei ihren Richtern zu tun? Welche Gemeinschaft haben die Verurteilten mit dem Verurteilenden? Ich meine keine bessere, als Christus mit Belial. Mit welcher Zuversicht können wir jenen Richterstuhl besteigen, um Urteile zu fällen über die, von denen wir Geschenke begehren? Denn auch Euch ist für jene Zeit dieselbe Wesenheit mit den Engeln und dasselbe Geschlecht mit den Männern verheißen; es ist Euch dieselbe Würde eines Richters versprochen. Wenn wir uns nicht schon hienieden durch Verurteilung der Dinge, die wir an ihnen verdammen sollen, im Richten geübt haben, so werden sie vielmehr uns richten und verdammen.
3. Ich weiß wohl, daß das Buch Henoch, welches den Engeln diese Rolle zuteilt, von manchen nicht angenommen wird, weil es keine Aufnahme in den jüdischen Kanon gefunden hat. Man hält es, wie ich vermute, nicht für möglich, daß dieses Buch, welches vor der Sündflut verfaßt worden ist, bei dieser Heimsuchung des ganzen Erdkreises, wobei alles vernichtet wurde, unversehrt geblieben sein sollte. Wenn das der Grund dafür ist, so sollte man aber auch nicht vergessen, daß ein Urenkel Henochs die Sündflut überlebte, Noe, welcher jedenfalls von der Gunst, die sein Urahne bei Gott besaß, gehört haben mußte, alle seine Lehren durch Familienbeziehungen und Erbüberlieferung kennen und sich deren erinnern mußte; denn nichts empfahl Henoch seinem Sohne, dem Metusala, so angelegentlich, als den Nachkommen die Kenntnis davon zu überliefern. Somit |180 war es ohne Zweifel möglich, daß Noe ihm in der Bestimmung, zu predigen, nachfolgte, schon deshalb, weil er so wie so nicht über den Ratschluß Gottes, seines Erhalters, und über den Ruhm seines eigenen Hauses geschwiegen haben würde. Wenn dies nicht so leicht anging, so dürfte auch folgende Erwägung zur stärkern Beglaubigung jener Schrift dienen. Er hätte sie, wenn sie durch die Gewalt der Sündflut vernichtet worden wäre, im Geiste gerade so gut wieder herstellen können, wie nach der Eroberung und Zerstörung Jerusalems durch die Babylonier sämtliche Bücher der jüdischen Literatur anerkanntermaßen durch Esdras wieder erneuert wurden. Allein da Henoch in derselben Schrift auch vom Herrn gesprochen hat, so haben wir von dem, was für uns bestimmt ist, durchaus nichts zu verwerfen. Auch lesen wir, daß jede Schrift, die zur Erbauung dienlich ist, von Gott eingegeben werde. Die Juden können zu deren Verwerfung denselben Grund gehabt haben, wie zur Verwerfung alles übrigen, was von Christus handelt. Und es ist fürwahr auch kein Wunder, wenn sie einige Schriften, die von ihm redeten, nicht angenommen haben, da sie ja ihn selbst, der in eigener Person zu ihnen redete, nicht anerkannten. Dazu kommt ferner, daß Henoch bei dem Apostel Judas ein Zeugnis für sich aufzuweisen hat2).
4. Nehmen wir für jetzt an, es liege für den Putz der Weiber kein Brandmal einer stattgehabten Verwerfung in dem Schicksal seiner Erfinder und es könne den Engeln mit Ausnahme ihres Sturzes aus dem Himmel und des ehelichen Umgangs im Fleische nichts schuldgegeben werden ---- dann müssen wir die Eigenschaften der Dinge selbst prüfen, um auch in ihnen die Fallstricke der Begierlichkeit zu entdecken. An der äußern Erscheinung des Weibes kommt zweierlei in Betracht: der Putz und die Verschönerungsmittel, Putz nennen wir die Schmucksachen3) der Weiber, Verschönerung |181 das, was man als weibliches Unwesen bezeichnen sollte. Zu jenen rechnet man Gold, Silber, Edelsteine und Gewänder, zu dieser die Pflege der Haare, der Haut und derjenigen Körperteile, welche die Augenlust erregen4), Gegen erstere erheben wir die Anklage auf Gefallsucht, gegen das letztere die Anklage auf buhlerisches Wesen, So magst du dir denn, o Dienerin Gottes, die du nach ganz ändern Dingen beurteilt wirst, nämlich nach deiner Demut und Keuschheit, schon jetzt zum voraus ein Urteil bilden, was sich davon für dein sittliches Verhalten schicke.
5. Gold und Silber, die beiden vorzüglichsten Mittel des weltlichen Putzes, müssen notwendig dasselbe wie das sein, woraus sie entstammen, nämlich Erde, freilich Erde von etwas edlerer Art. Sie hat in den mörderischen Schmelzhütten, durch die zu den Bergwerken Verurteilten bei ihrer Zwangsarbeit mit Tränen benetzt, ihren erdigen Charakter im Feuer zurückgelassen und sich seitdem aus einem Gegenstand der Marter in ein Mittel des Putzes verwandelt, aus einem Werkzeuge der Todespein in ein solches der Üppigkeit, aus einem der Schmach in ein solches der Ehre, trotzdem sie aus den Bergwerken entlaufen ist5), Eisen, Bronze und die sonstigen Stoffe stehen ihr völlig gleich, sowohl in Hinsicht ihres Ursprunges ---- aus der Erde ---- als ihrer Bearbeitung durch den Bergbau, daher kann die Substanz des Goldes oder Silbers von Natur nicht für edler gelten. Sollten aber Gold und Silber ihre Wertschätzung etwa durch die Art und Weise ihrer Verwendung erhalten, dann wäre der Wert des Eisens und des Messings doch noch größer, da ihre Anwendbarkeit der Art ist, daß sie einerseits den Menschen besondere Dienste leisten, und zwar häufigere und notwendigere Dienste, andererseits aber dessenungeachtet die Stelle des Goldes und Silbers vertreten aus gerechteren Gründen. Denn es gibt auch eiserne Fingerringe, und die Geschichte des |182 Altertums spricht jetzt noch von bronzenen Eß- und Trinkgeschirren, Daß Gold und Silber, wenn wahnsinniger Überfluß davon vorhanden ist, auch zu ganz niedrigen Zwecken verwendet wird, wollen wir übergehen. Aber sicherlich wird kein Acker mit Hilfe des Goldes urbar gemacht und kein Schiff durch die Kraft des Silbers zusammengehalten. Nie dringt ein goldener Karst in das Erdreich ein und kein silberner Nagel in ein Brett, Ich schweige von den Lebensbedürfnissen überhaupt, wo alles auf Anwendung von Eisen und Bronze ankommt, denn selbst dann, wenn jene Reichtum bringenden Stoffe aus den Bergwerken herausgegraben und zu irgend einem Zwecke verwendet werden sollen, ist es ohne die kräftige Hilfeleistung des Eisens und Erzes nicht möglich. Daher muß man wohl bedenken, woher es kommt, daß man dem Golde und Silber einen solchen Wert beilegt und sie ändern Stoffen, die der Abkunft nach mit ihnen verwandt sind und sie an Brauchbarkeit übertreffen, vorgezogen werden.
6. Und jene kleinen Steinchen, welche ihren Prunk mit dem des Goldes zu verbinden pflegen, wofür anders soll ich sie erklären, als für Steinchen, Kieselchen und kleine Klümpchen derselben erdigen Masse, die freilich nicht dazu dienen, Fundamente zu legen, Wände zu bauen, Dachfirsten zu tragen oder Dächer zu verschmieren!? Sie sind zu nichts gut, als Bewunderung der Weiber zu erregen; sie werden mit Bedacht geschliffen, damit sie glänzen, mit Schlauheit eingefaßt, damit sie schimmern, mit Vorsicht durchbohrt, um sie aufzuhängen, und leisten so dem Golde ihre buhlerischen Dienste gleichsam zum Danke, Was die Prunksucht aus dem Britannischen oder Indischen Meere herausfischt, ist auch nichts weiter als eine Art Schaltier, noch nicht einmal so schmackhaft wie die Riesenmuschel, geschweige denn wie Schnecke und Auster. Dazu lasse ich mir die Schaltiere gefallen, als Früchte des Meeres. Wenn aber jenes Schaltier inwendig gewisse Auswüchse zeigt, so muß das bei ihm wohl mehr eine Krankheit sein als ein Vorzug. Wenn jene Auswüchse gleich den Namen |183 Perlen führen, so sind sie trotzdem nicht als etwas anderes anzusehen, als für eine harte, runde Warze jenes Schaltieres6).
Man sagt, auch aus dem Vorderkopfe des Drachen kämen Edelsteine, sowie sich im Gehirne der Fische ein harter Gegenstand findet. Das fehlte noch, daß die Christin von der Schlange ihren Putz entlehne! Wahrscheinlich wird sie den Kopf des Teufels zertreten, wenn sie aus seinem Kopfe einen Schmuckgegenstand für ihren Nacken oder ihren Hals entnimmt!
7. Alle diese Dinge sind so geschätzt nur wegen ihrer Seltenheit und Fremdartigkeit. Denn in ihrer Heimat stehen sie nicht in so hohem Werte. Überfluß an einer Sache führt stets zu einer Entwertung derselben. Bei manchen barbarischen Völkern hält man die Leute in den Arbeitshäusern in goldenen Fesseln, weil das Gold dort einheimisch ist und sich reichlich findet; man belastet die Übeltäter mit Schätzen, und sie sind um so reicher, je größere Verbrecher sie sind. Es ist hier und da in der Tat schon vorgekommen, daß auch das Gold nicht geachtet war. Wir sahen zu Rom, wie sogar die Pracht der Edelsteine vor den Damen sich schämte infolge der geringschätzigen Behandlung, welche die Parther, Meder und andere Völker ihnen zuteil werden ließen; sie werden dort kaum noch angewendet, um damit zu prunken. Smaragden sitzen kaum bemerkbar an den Gürteln; von den länglich runden Steinen, die an der Säbelscheide sitzen, weiß nur das Schwert an ihrer Seite etwas; Riesenperlen suchen einen Ausweg aus der Schmutzkruste ihrer schmierigen Stiefel, Es sitzt bei ihnen, mit einem Wort, nichts so voll Edelsteine als das, was keine haben dürfte, da sie nicht zutage treten; oder sie treten nur darum zutage, um von der Verachtung Zeugnis zu geben.
8. Ebenso werden bei ihnen die wegen ihrer Farbe geschätzten Kleider von Sklaven getragen. Sogar den Wänden dienen mißbräuchlich die purpurroten, die |184 himmelblauen und die sogenannten Königsteppiche anstatt der Tünche, während Ihr sie mühsam auseinandertrennt und anders verwendet, Purpur ist bei ihnen wohlfeiler als Rötel. Wie könnten Kleider also eine rechtmäßige Wertschätzung beanspruchen wegen der erborgten, ihnen nicht zukommenden Farben? Gott hat an nichts Wohlgefallen, was er nicht selber hervorgebracht hat. Konnte er nicht auch purpurrote oder stahlblaue Schafe erschaffen? Wenn er es vermochte [und nicht tat], so hat er es eben nicht gewollt; was Gott aber nicht machen wollte, das darf man auch nicht machen, Gebilde, welche nicht von Gott sind, dem Urheber der Natur, sind also nicht von Natur die besten. Unter diesen Umständen erkennt man, daß sie vom Teufel, dem Verfälscher der Natur kommen. Denn was nicht von Gott ist, kann von keinem ändern herrühren. Was nicht von Gott kommt, muß notwendig von dessen Widersacher kommen. Außer dem Teufel und seinen Engeln gibt es aber keinen Widersacher Gottes, Im übrigen aber, obschon jene Gegenstände selbst wirklich aus Gott sind, so sind es nicht gleich auch die genannten Anwendungen derselben seitens der Menschen. [Es fragt sich auch, woher die Muscheln kommen, nach wessen Anordnung sie zum Putz dienen und worin ihre Schönheit bestehe,]7) Denn die sämtlichen profanen Vergnügungen der heidnischen Schauspiele, wie wir in dem sie behandelnden Buche gesagt haben, sowie die Idololatrie selbst kommt nur zustande mit Hülfe von Dingen, die Gott angehören. Darum darf aber doch der Christ nichts mit der Raserei des Zirkus, den Grausamkeiten der Arena und den Schändlichkeiten der Bühne zu tun haben, obschon das Pferd, der Panther und die menschliche Stimme Gaben Gottes sind, ebensowenig als er darum ungestraft Idololatrie begehen darf, weil der Weihrauch, der Wein und das Feuer, welches verzehrt, und die Tiere, welche geopfert werden, Geschöpfe Gottes sind; denn sogar die Materie, die angebetet wird, ist Gottes. |185 So verhält es sich also auch inbetreff der Anwendung der Materie; der Ursprung der Materie von Gott entschuldigt sie nicht8), weil die Anwendung nicht von Gott herstammt und schuldig ist der eitlen Ruhmsucht dieser Welt.
9. Denn wie alle Dinge, von Gott auf die einzelnen ihnen bestimmten Länder und Gebiete des Meeres verteilt, sich gegenseitig fremd sind, so werden sie umgekehrt in der Fremde als Seltenheiten begehrt, in ihrer Heimat aber mit Recht bald verschmäht, bald begehrt, weil dort nach solcher Auszeichnung keine so lebhafte Begierde besteht, die unter den Einheimischen nur schwach ist. Allein infolge der Verteilung der Besitztümer, die Gott nach seinem Willen angeordnet hat, entzündet die Seltenheit oder Fremdartigkeit eines Gegenstandes, der bei Fremden stets Gefallen findet, die Lust, ihn zu besitzen, aus dem einfachen Grunde, weil sie nicht haben, was Gott ändern gegeben hat. Hieraus geht wieder ein anderer Fehler hervor, die maßlose Habgier, Wenn man auch Besitztümer haben muß, so ist doch Maß zu halten. Darin dürfte das Strebertum bestehen, und daraus ist auch der Name zu erklären, daß die Begierde, die in der Seele herumstrebt, sich zum Wunsch nach Ehre gestaltet, allerdings ein hoher Wunsch, welchen aber, wie gesagt, weder die Natur noch die Wahrheit eingibt, sondern nur die fehlerhafte Beschaffenheit der Seele9), Es gibt auch noch andere Fehler des Strebertums und des Ehrgeizes, So z. B. ist er es auch, der die Preise der Dinge in die Höhe getrieben hat, um sich selbst wieder daran zu entzünden. Denn die Begierde wird um so größer, je höher sie den Gegenstand des Begehrens einschätzt. Aus einem |186 kleinen Kästchen wird ein ganzes Vermögen herausgenommen; an einem hänfenen Faden schnürt man eine Million Sesterzen auf; ein zarter Nacken trägt ganze Landgüter und Häuserkomplexe herum; zierliche Ohrläppchen verursachen Ausgaben von Kapitalien, und jeder einzelne Finger der linken Hand macht je einen Geldsack zuschanden. So weit geht die Macht der Prunksucht, daß einzelne Dämchen den Ertrag eines großen Vermögens am Leibe tragen.
II. BUCH.
1. Ihr Dienstmägde des lebendigen Gottes, meine Mitdienerinnen und Schwestern, kraft des Rechtes, wodurch ich, wenn auch als der allerletzte zu Euch zähle, wage ich es, an Euch das Wort zu richten, nicht zwar ein Wort der Zuneigung, sondern ein Wort, welches der Zuneigung dient in Sachen Eures Heiles, Das Heil aber, und zwar nicht bloß für die Weiber, sondern auch für die Männer, beruht vor allem im Besitz der Sittlichkeit. Denn wenn wir alle durch die Aufnahme und Weihe des Hl. Geistes Tempel Gottes sind, so ist doch keusche Gesinnung die Wächterin und Priesterin dieses Tempels und läßt nichts Beflecktes und Unreines hinein, damit nicht der ihn bewohnende Gott seinen Sitz als befleckt verlasse.
Doch wir handeln jetzt nicht von der Sittlichkeit, zu deren Auferlegung und Förderung die überall wachenden göttlichen Vorschriften genügen, sondern von dem, was damit in Verbindung steht, nämlich, wie Ihr auftreten und einhergehen müßt. Die meisten von Euch, ---- Gott möge mir gestatten, dies an allen Betreffenden zu tadeln, indem ich es an einer tadele ---- treten, sei es aus Einfalt und Unwissenheit, sei es aus Frechheit und Oberflächlichkeit, in einer Weise auf, als bestände die Sittsamkeit in der bloßen Integrität des Fleisches und im Abscheu gegen unzüchtige Handlungen und als käme auf das Äußerliche nichts an. In Bezug auf Putz und Schmuck, Pflege von Gestalt und Farbe bieten sie in ihrem Auftreten dieselbe äußere Erscheinung dar, wie heidnische Frauen, denen doch jede Kenntnis der |187 wahren Züchtigkeit abgeht, weil an denen, die Gott, den Herrn und Lehrer der Wahrheit nicht kennen, überhaupt keine Wahrheit ist. Auch da, wo man bei den Heidinnen etwas Sittsamkeit unterstellen kann, ist sie sicher so unvollkommen und schwächlich, daß sie, wenn sie sich in gewissem Grade auch in der Gesinnung behauptet, sich doch wiederum selbst aufgibt durch eine zu freie Kleidung und man, der verkehrten Art der Heiden entsprechend, Verlangen nach dem zeigt, dessen Ausübung man vermeidet. So gibt es wenige, welche nicht wünschten, sogar fremden Männern zu gefallen, wenige, welche sich nicht schminken ließen und die es abwiesen, ein Gegenstand der Begierde zu werden. Auch ist es bei der Sittlichkeit der Heiden etwas Gewöhnliches, sich zwar nicht zu verfehlen, es aber trotzdem zu begehren, oder es nicht zu begehren, aber es doch nicht abzuschlagen. Was Wunder auch! Alles, was nicht von Gott kommt, ist ja in sich verkehrt.
Mögen also die, welche am Guten nicht ganz festhalten, zusehen, daß sie nicht etwa dem, was sie noch festhalten, Böses beimischen, was leicht geschehen kann. Ihr aber müßt notwendig, wie in ändern Dingen, so auch in der äußern Erscheinung Euch von ihnen unterscheiden, weil Ihr vollkommen sein sollt, wie Euer himmlischer Vater vollkommen ist.
2. Zur vollkommenen, d, h, christlichen Sittlichkeit, müßt Ihr wissen, gehört, daß man nicht nur niemals wünsche, ein Gegenstand des Verlangens zu werden, sondern dies sogar verabscheue. Denn erstens kommt der Wunsch, durch Anmut zu gefallen, nicht mehr aus einem ganz unverdorbenen Gemüt, da wir wissen, daß Anmut das natürliche Reizmittel zur Sinnenlust wird. Warum also erregst du in dir dieses große Übel? Was ladest du zu Dingen ein, denen du deinem Bekenntnis nach fern stehen solltest? Zweitens dürfen wir keine Gelegenheit zu Versuchungen eröffnen, welche zwar bisweilen durch ihre Heftigkeit, wovor Gott die Seinigen bewahren möge, zur Vollkommenheit führen, aber doch sicher den Geist durch Ärgernis beunruhigen. Wir |188 müssen in solcher Heiligkeit, so in der ganzen Fülle des Glaubens wandeln, daß wir in unserem Gewissen ruhig und sicher sind in dem Wunsche, so zu bleiben, ohne vermessen darauf zu bauen. Denn wer zuversichtlich ist, der ist weniger besorgt, wer weniger besorgt ist, ist weniger vorsichtig, wer aber weniger vorsichtig ist, der ist in größerer Gefahr, Die Furcht ist die Grundlage des Seelenheils, Zuversichtlichkeit aber ein Hindernis der Furcht. Nützlicher also ist es zu hoffen, daß wir imstande sein werden, die Sünde zu meiden10), als sich dessen zu vermessen. Denn haben wir diese Hoffnung, so werden wir besorgt sein; sind wir besorgt, so werden wir vorsichtig sein; sind wir vorsichtig, so werden wir gerettet werden. Wenn wir dagegen vermessentlich vertrauen, werden wir aus Mangel an Besorgnis und Vorsicht zugrunde gehen. Wer sich in Sicherheit wiegt, ist nicht besorgt und besitzt darum keine feste und zuverlässige Sicherheit, Aber wer besorgt ist, der kann wirklich sicher sein.
Zwar sorgt der Herr in seiner Barmherzigkeit für seine Diener, und sie dürfen hinsichtlich ihrer Wohlfahrt glücklicherweise sogar Vertrauen hegen. Warum aber wollen wir eine Gefahr für andere werden? Warum ihnen Begierden einflößen? Als ob Gott das Gesetz nicht erweitert und in Hinsicht der Strafe zwischen der unzüchtigen Tat und der Begierde danach einen Unterschied gemacht hätte? Ich weiß nicht, ob der straflos bleiben kann, der einem ändern zur Ursache des Unterganges wird. Der Nächste geht nämlich zugrunde, sobald er nach deiner Gestalt begehrt, und hat in seinem Herzen schon vollbracht, was er begehrt, du aber bist dann ihm zum Dolch des Todes geworden; und wenn du auch von Schuld frei sein solltest, so bist du doch nicht frei von Vorwurf, Wenn z. B. auf jemandes Acker ein Raubmord vollbracht wird, so wird das Verbrechen den Besitzer allerdings nicht berühren; wenn aber das Landgut dadurch in Verruf kommt, so wird auch seine Person durch die Schande mit betroffen. Wollten wir uns etwa schminken, damit andere dadurch zugrunde |189 gehen? Wo bleibt da der Ausspruch: 'žDu sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst?" Wollet nicht bloß an Euch denken, sondern auch an den Nächsten! Kein Ausspruch des Hl. Geistes darf bloß auf die augenblickliche Veranlassung, sondern muß auf jeden gelegentlichen Nutzen gehen und bezogen werden. Da also sowohl unsere eigene als auch des Nächsten Wohlfahrt bei Pflege des so gefahrvollen Liebreizes auf dem Spiele steht, so möget Ihr wissen, daß Ihr nicht bloß den Pomp geborgter und studierter Anmut zu verschmähen habet, sondern auch die von der Natur verliehenen Reize durch Verheimlichung und Vernachlässigung derselben zurückdrängen müsset, weil sie in gleichem Grade die Blicke belästigen. Wenn man auch die Anmut als ein körperliches Glück, als eine Beigabe der göttlichen Bildnerkunst, gewissermaßen als eine gute Hülle der Seele nicht anklagen darf, so ist sie doch mit Besorgnis zu betrachten wegen etwaiger Eingriffe und Angriffe von Lüstlingen, Solche hatte sogar der Vater des Glaubens, Abraham, bei der Schönheit seiner Gattin zu fürchten, und Isaak erkaufte sich sein Leben durch Schande, indem er Rebekka lügnerisch für seine Schwester ausgab11).
3. Nehmen wir nun aber an, eine edle Gestalt sei kein Grund der Besorgnis, und stellen wir uns vor, sie sei weder der Besitzerin lästig noch den danach Begehrenden gefährlich, nicht den Versuchungen ausgesetzt und nicht mit Ärgernissen umlagert, so genügt es, daß die Mägde Gottes12) sie nicht notwendig haben. Denn wo Sittlichkeit herrscht, da hat Schönheit keinen Zweck, weil sie eigentlich nur der Sinnenlust dient und dieselbe hervorruft. Oder erwartet jemand irgend einen ändern Dienst von der Anmut des Körpers? Ihre vorhandene Schönheit vermehren oder wenn ihnen keine verliehen ist, danach streben, das mögen die tun, welche, was von |190 ihr erwartet wird, sich gestatten zu dürfen glauben, indem sie es ändern gewähren13). Es könnte jemand fragen: Wie, warum sollte es denn, nachdem der Sinnenlust der Laufpaß gegeben und die Keuschheit in ihrem Rechte anerkannt ist, nicht erlaubt sein, sich an dem bloßen Vorzuge einer schönen Gestalt zu ergötzen und sich des Besitzes eines wohlgestalteten Körpers zu rühmen? ---- So? Es sehe sich jeder vor, dem es Freude macht, sich des Fleisches zu rühmen14)! Was uns angeht, so sind wir erstens gar nicht auf Ruhm bedacht, weil Rühm ein Mittel zur Selbsterhöhung ist. Selbsterhebung aber steht zufolge der Vorschriften Gottes denen, die sich zur Demut bekennen, nicht an. Zweitens, wenn schon jede Ruhmsucht töricht und dumm ist, dann erst recht das Rühmen im Fleische, für uns wenigstens. Denn wenn wir uns zu rühmen hätten, so müßten wir im Geiste den Guten zu gefallen suchen, nicht im Fleische, weil wir den geistigen Dingen nachstreben. Haben wir Freude an dem, worauf wir uns verlegt haben, suchen wir Ruhm zu ernten in dem, wovon wir unser Heil hoffen! Allerdings wird sich der Christ auch im Fleische rühmen, aber dann, wenn es, um Christi willen gemartert und zerrissen, ausharret, damit der Geist in ihm seine Krone erlangt, nicht aber, damit es die schmachtenden Blicke junger Leute auf sich ziehe. Daher wäre es billig, daß Ihr das, was bei Euch nach keiner Seite hin einen Zweck hat, gänzlich verachtetet, wenn Ihr es nicht besitzt, und vernachlässigtet, wenn Ihr es besitzt. Ein heiliges Weib, wenn es von Natur aus schön ist, werde also nicht zur Gelegenheit, Wenigstens darf sie, wenn sie einmal dazu werden sollte, dem keinen Vorschub leisten, sondern muß es verhindern.
4. Ich will wie zu Heidinnen sprechen, indem ich Euch mit einer Vorschrift anrede, die bei den Heiden und sonst allgemein gilt: Ihr dürft einzig und allein das Wohlgefallen Eurer Männer besitzen! Ihr werdet ihr Wohlgefallen aber in dem Maße besitzen, als Ihr ändern |191 nicht zu gefallen strebt. Seid unbesorgt, Ihr Gebenedeiten; keine Ehefrau gilt in den Augen ihres Ehemannes als häßlich. Indem seine Wahl auf sie fiel, besaß sie hinlänglich sein Wohlgefallen, sei es, daß ihre Gestalt oder ihr Charakter ihr zur Empfehlung gereichte. Möge sich keine von Euch dem Glauben hingeben, Haß und Abneigung seitens ihres Ehemannes sich zuzuziehen, wenn sie aufhört, sich zu schmücken. Jeder Ehemann hält auf Sittsamkeit, Schönheit aber verlangt ein christlicher Ehemann nicht, weil wir uns nicht durch die Dinge einnehmen lassen, welche die Heiden für Güter halten. Bei einem ungläubigen Manne dagegen kommt die Frau durch Putz sogar noch in Verdacht, schon infolge jener bekannten ruchlosen Ansicht der Heiden inbetreff unser15), Für wen also pflegst du eigentlich deine Schönheit? Für den Christen? Der verlangt sie nicht. Für den Heiden? Der hält sie nicht für absichtslos. Wozu wünschest du einem Mißtrauischen oder einem, der es nicht verlangt, zu gefallen?
5. Das Gesagte soll nicht dazu dienen, Euch ein gänzlich verwildertes und tierisches Aussehen anzuempfehlen. Auch wollen wir Euch nicht von der Nützlichkeit des Schmutzes und der Unsauberkeit überzeugen, sondern nur von der rechten Weise, dem Wesentlichen und der richtigen Grenze in der Pflege des Körpers. Man darf nicht weiter gehen, als es eine absichtslose und ausreichende Sauberkeit verlangt, nicht weiter, als Gott will. Denn er ist es, gegen den diejenigen fehlen, welche sich die Haut mit Salben einreiben, die Wangen durch Schminke entstellen, die Augenbrauen durch Schwärze verlängern. Natürlich, ihnen mißfällt das Gebilde Gottes; natürlich, sie bekritteln sich damit selbst und tadeln den Schöpfer aller Dinge. Denn sie tadeln, indem sie verbessern und vermehren. Die Mittel dazu entlehnen sie natürlich von einem rivalisierenden Künstler; der aber ist der Teufel. Denn wer wäre sonst imstande, Mittel und Wege zu zeigen, mit dem Körper |192 Veränderungen vorzunehmen, als der, welcher auch den Geist des Menschen durch das Böse umgestaltet hat? Er ist es ohne Zweifel, welcher dergleichen künstliche Mittel zubereitet hat, so daß Ihr offenbar gewissermaßen Hand an Gott anleget. Was angeboren wird, ist Gottes Werk. Was hinzugetan wird, ist also teuflisches Werk. Wie ruchlos ist es, zu dem Werke Gottes die Erfindungen des Teufels hinzuzufügen! Unsere Sklaven borgen sich von unsern Feinden nichts, die Soldaten verlangen nichts von den Gegnern ihres Feldherrn. Denn von dem Gegner unseres Oberherrn einen Vorteil verlangen, wäre Abfall, Und der Christ? er sollte sich vom bösen Feinde in etwas helfen lassen? Ich weiß nicht, ob er dann noch diesen Namen behalten könnte, Er würde ja dem angehören, von dem er Belehrung begehrt. Wie wenig aber verträgt es sich mit Euren sittlichen Grundsätzen und Versprechungen, denen ja in jeder Beziehung Einfachheit zur Pflicht gemacht ist, wie unwürdig ist es für Christen, ein geschminktes und bemaltes Gesicht zu haben; im Bilde zu lügen, lügnerische Farben anzuwenden, da man doch mit dem Munde nicht lügen darf; zu begehren, was dir nicht gehört, da man von fremdem Gut sich zu enthalten gelehrt worden ist; sein Aussehen zu fälschen, da man der Ehrbarkeit sich befleißigt! Glaubt es mir, Ihr Gebenedeiten! Wie könntet Ihr Gottes Vorschriften bewahren, da Ihr doch die Zeichnung von seiner Hand an Euch nicht bewahrt?
6. Ich sehe manche Frauenspersonen ihr Haar mit Safran färben. ---- Sie schämen sich sogar ihrer Herkunft, daß sie nicht in Deutschland oder Gallien geboren sind, So geben sie, so viel von ihrem Haar abhängt, ihr Vaterland auf. Ihr feuerroter Kopf ist ein schlechtes und sehr schlimmes Vorzeichen für sie, und sie halten Flekken für einen Zierat, Ja die Einwirkung der Farbestoffe ist ihrem Haupte sogar schädlich, und schon eine anhaltende, bloß durch eine einfache Flüssigkeit verursachte Nässe bringt dem Gehirn schweren Schaden, Sodann schadet dem Haar auch die zu seiner Wiederbelebung und Abtrocknung angewendete sonst wohltuende |193 Hitze. Was ist das für eine Verschönerung, die mit Nachteilen, was ist das für eine Anmut, die mit Unsauberkeit verbunden ist!? Ein christliches Weib sollte Safran auf ihren Kopf bringen wie auf den Opferaltar?! Alles, was dem unreinen Geiste zu Ehren angezündet zu werden pflegt, kann man als ein Götzenopfer ansehen, so lange es nicht zu löblichen, notwendigen oder heilsamen Zwecken benutzt wird, wozu es als Geschöpf Gottes bestimmt ist. Der Herr sagt aber: ,,Wer von euch kann weißes Haar schwarz oder schwarzes weiß machen"16). Da wollen sie denn also den Herrn Lügen strafen. Siehe, sagen sie, aus schwarzem oder weißem Haar machen wir gelbes, was anmutiger und hübscher ist. Freilich, sie versuchen auch schwarzes aus weißem zu machen, wenn es ihnen Kummer macht, das Greisenalter erlebt zu haben, O Verwegenheit! Man schämt sich des Alters, das man so eifrig zu erlangen gewünscht hat; man begeht einen Diebstahl. Die Jugend, in der man gesündigt hat, wird zurückgesehnt; der Anlaß zum Ernste wird beseitigt! Fern sei eine solche Torheit von den Töchtern der Weisheit! Je mehr man das Alter zu verbergen sucht, desto mehr kommt es zum Vorschein. Macht jugendliches Haar etwa das ewige Leben aus? Ist das die Unverweslichkeit, mit der wir fürs neue Haus des Herrn überkleidet werden sollen, welche durch die Dreieinigkeit uns verheißen ist? Das wäre mir gerade die richtige Art, wie Ihr Euch beeilet, zum Herrn zu kommen, wie Ihr Euch tummelt, um diese befleckte Welt zu verlassen, wenn es in Euren Augen eine solche Unehre ist, dem Lebensende nahe gekommen zu sein.
7. Was nützt die große Sorgfalt in Anordnung der Haare zum Seelenheil? Warum dürfen Eure Haare nicht ruhig liegen, sondern sind bald aufgebunden, bald herunterhängend, bald in die Höhe gerichtet, bald niedergelegt? Die einen ziehen es vor, sie in krausen Löckchen zu befestigen, während andere sie wild und fliegend herunterfallen lassen ---- eine wenig löbliche Einfachheit, Außerdem bringt Ihr noch Gott weiß was für Ungetüme |194 von geflochtenem und gewebtem Haarwerk an, bald in der Form eines Hutes, gleichsam als Futteral für den Kopf und zur Bedeckung für den Scheitel, bald hinten als Wulst auf dem Nacken. Ein Wunder nur, daß nicht gegen Vorschriften des Herrn angegangen wird. Es gibt einen Ausspruch, niemand könne seinem Körpermaße etwas hinzufügen. Ihr fügt Eurem Gewichte noch eine Art von Kopfputz in der Form von Borten und Schildbuckeln hinzu17), die am Nacken angeheftet werden müssen. Wenn Ihr Euch nicht wegen deren Größe schämt, so möget Ihr Euch ihrer befleckenden Unreinlichkeit schämen und nicht den Abfall von einem fremden Kopfe, vielleicht von einem unreinen, von einem verbrecherischen und der Hölle verfallenen Haupte auf ein heiliges und christliches Haupt aufbauen. Verbannt vielmehr von dem freien Haupte den ganzen knechtischen Putz! Es ist zwecklos, daß Ihr Euch bemüht, geputzt zu erscheinen und die erfahrensten Haarkünstler herbeizieht. Gott will, daß Ihr verschleiert sein sollt. Vermutlich, damit man die Köpfe mancher Damen nicht sehe. Möchte ich Ärmster an jenem Tage des Triumphes der Christen auch nur unter Euren Fußsohlen mein Haupt erheben dürfen! Dann würde ich sehen, ob Ihr mit der weißen und roten Schminke, mit dem Safran und den Türmen auf dem Kopfe auferstehen werdet, ob Frauen, die so ausgemalt sind, von den Engeln in die Wolken hinaufgehoben werden, Christo entgegen. Wenn diese Dinge im gegenwärtigen Leben gut und Gott wohlgefällig sind, dann werden sie sich auch den auferstehenden Leibern zugesellen und an ihnen wieder eine Stätte finden. Nur ein lediger und reiner Leib und Geist kann auferstehen. Verworfen ist alles, was am Leibe und Geiste nicht aufersteht, denn es ist nicht von Gott. Von dem, was verworfen ist, haltet Euch auch jetzt schon fern! Möget Ihr jetzt schon vor Gottes Augen so erscheinen, wie Ihr alsdann erscheinen werdet.
8. Natürlich, jetzt will ich als Mann und Feind des weiblichen Geschlechts den Weibern entziehen, was |195 ihnen zukommt?! ---- Werden nicht auch uns gewisse Dinge untersagt aus Rücksicht auf die ernste Würde, die man wegen der schuldigen Gottesfurcht bewahren muß? Auch den Männern ist die Gefallsucht gegenüber den Weibern, wie den Weibern gegenüber den Männern durch einen Naturfehler angeboren, auch unser Geschlecht hat seine eigentümlichen Kunstgriffe zur Hebung der Gestalt, z. B. den Bart möglichst glatt zu rasieren, dünner zu machen, rundumher zu stutzen, das Haar zu scheiteln, das grau gewordene anders zu färben, stets allen Flaum am ganzen Körper zu entfernen, das Haar mit derselben Pomade, wie sie die Weiber brauchen, glatt zu streichen, die übrigen Teile durch Reiben mit einem gewissen rauhen Pulver zu glätten, bei jeder Gelegenheit den Spiegel zu befragen und ängstlich hineinzuschauen, während doch, wenn man Gott erkannt und die Gefallsucht der Gefahr sinnlicher Lüste wegen abgelegt hat, alle diese Dinge als müßig und der Sittsamkeit zuwider verschmäht werden müßten. Denn wo Gott ist, da ist auch Sittsamkeit, da ist auch deren Stütze und Bundesgenosse, der würdige Ernst, Wie sollen wir also die Sittsamkeit ohne die ihr eigentümliche Unterstützung, d, h, ohne den würdigen Ernst, handhaben? Wie werden wir uns aber die zur Beobachtung der Sittsamkeit nötige Gravität verschaffen, wenn wir nicht in unserem Antlitz, im Putz und in der ganzen Erscheinung des Menschen den Ernst zur Schau tragen?
9. Daher müßt Ihr auch hinsichtlich der Kleidung und der übrigen belastenden Teile Eures Putzes ebenso sehr auf Einschränkung und Ablegung des allzu geschniegelten Wesens bedacht sein. Denn was hilft es, im Angesicht zwar eine bürgerliche und nicht zeitraubende Einfachheit, wie sie der göttlichen Sittenlehre angemessen ist, zur Schau zu tragen, die übrigen Teile des Körpers aber mit dem läppischen Plunder der Putzsucht und Weichlichkeit zu belasten? Wie sehr dieser Pomp das Werk der. Sinnenlust fördert und wie er den Grundsätzen der Sittlichkeit widerspricht, das kann man leichtlich erkennen. Er stellt nämlich Wohlgestalt |196 und Anmut in Verbindung mit Putz zur Schau; wenn der Putz aufhört, wird die Schönheit wirkungs- und reizlos, sie ist gleichsam ihrer Waffen und Segel beraubt. Wenn dagegen die Gestalt mangelhaft ist, so ersetzt der Putz als Hilfsmittel sozusagen gleichsam aus seinen Kräften den fehlenden Liebreiz, Endlich werden auch die bereits gesetzteren und in den Hafen der Entsagung eingelaufenen Altersstufen durch Staat und ausgesuchten Putz abgelenkt und in ihrem Ernste durch Begierden beunruhigt, indem bei ihnen die Reizmittel des Putzes ersetzen, was der kälteren und wenig reizbaren Altersstufe fehlt.
Also, meine Verehrtesten, vor allem begeht keine Sünde gegen Euch selbst, indem Ihr Kleidung und Putz kupplerisch und buhlerisch zur Schau stellt, zweitens, wenn Rücksichten auf Reichtum, Abkunft und frühere Stellung die eine oder die andere zwingen, so aufgedonnert zu erscheinen, wie wenn sie noch nicht zur Weisheit gelangt wäre, so sorgt dafür, daß dieses Übel möglichst eingeschränkt werde, damit Ihr nicht unter dem Verwände, es nicht vermeiden zu können, der Freiheit alle Zügel schießen lasset. Denn wie könnt Ihr das Versprechen der Demut, welches wir ablegen, erfüllen, wenn Ihr nicht den Gebrauch Eurer Reichtümer und verfeinerten Gewohnheiten einschränkt, welche so leicht zum Renommee verhelfen? Hoffart pflegt zu bewirken, daß man gefeiert wird, nicht Demut.
Sollen wir uns denn aber dessen, was uns zukommt, nicht bedienen? ---- Wer verbietet uns denn das? ---- Gut, es geschehe, aber nur in Gemäßheit des Ausspruches des Apostels, der mahnt, diese Welt zu gebrauchen, als gebrauchten wir sie nicht18). Denn die Gestalt dieser Erde vergeht. Und die, welche kaufen, sollen so handeln, als besäßen sie nichts. Warum denn das? Weil er die Worte vorausgeschickt hatte: 'žDie Zeit ist in der Enge", Wenn er also gelehrt hat, sogar die Weiber in einer Weise zu besitzen, als hätte man sie nicht, wegen der Enge der Zeiten, was wird er wohl von solchen Hilfsmitteln ihrer Eitelkeit halten? Gibt es nicht viele, die |197 so handeln, die sich selbst dem Eunuchentum weihen und wegen des Reiches Gottes dem so starken und auch erlaubten Triebe freiwillig entsagen? Versagen sich manche nicht sogar, was Gott erschaffen hat, indem sie sich des Weines und der Fleischspeisen enthalten, deren Genuß keine Gefahr oder Besorgnis verursacht, und bringen sie nicht selbst in der Entsagung von Speise die Demut ihrer Seele Gott zum Opfer dar. Ihr habt Euch lange genug Eurer Reichtümer und feinen Genüsse bedient, Ihr habt genug von den Früchten Eurer Mitgift gepflückt, bevor Ihr zur Kenntnis der Heilslehren gelangt seid. Wir sind es, auf deren Lebenszeit das Ende der Zeiten trifft. Wir sind von Gott vor Erschaffung der Welt für das Ende der Zeiten bestimmt. Daher werden wir von Gott unterwiesen zur Züchtigung und Verstümmelung der Welt, Wir sind die geistige und leibliche Beschneidung aller. Denn wir beschneiden im Geiste und im Fleische die Dinge dieser Welt.
10. Natürlich ist es Gott gewesen, der die Unterweisung gegeben hat, wie man Wolle mit Pflanzen saften und Muschelschleim einkocht19). Es war ihm, als er das Weltall entstehen hieß, in Vergessenheit geraten, die Entstehung purpur- und scharlachroter Schafe anzuordnen. War es Gott, der die Fabrikation solcher Kleider ersonnen hat, welche, an sich leicht und dünn, einzig durch ihren Preis gewichtig werden? Ist Gott es, der solche Massen an Gold hervorgebracht hat, damit man die Edelsteine darein fassen und sortieren könne? Hat Gott den Ohrläppchen mit Sorgfalt Wunden beigebracht und auf die Verstümmelung seines Werkes und Marterung der Kinder, die dabei zum ersten Male Schmerz empfinden, so viel Wert gelegt, damit in den Narben dieser gleichsam für das Messer bestimmten Körperteile gewisse Körnlein hängen sollten, welche die Parther als Knöpfe sogar an ihre Stiefel setzen? Inbetreff des Goldes, dessen Schimmer Euch so sehr besticht, berichtet die Literatur, daß es bei einem gewissen Volke zu Fesseln gebraucht werde. Also sind diese |198 Dinge nicht aus sich wirklich gut, sondern nur infolge ihrer Seltenheit. Nachdem aber die nötigen Kunstfertigkeiten durch die Engel, welche auch auf die Stoffe selbst hinwiesen, eingeführt waren, hat mühevoller Kunstfleiß in Verbindung mit der Seltenheit dieser Dinge die Vorstellung von ihrer Kostbarkeit erregt, und infolge dessen bei den Frauen das Verlangen, solche Kostbarkeiten zu besitzen, erweckt. Sind nun aber dieselben Engel, welche die genannten Stoffe und Lockmittel, ich meine das Gold und die Edelsteine, entdeckt, sowie auch die Bearbeitung derselben gezeigt und unter ändern auch das Mittel, die Augenbrauen zu färben, sowie die Schönfärberei gelehrt haben, von Gott verworfen worden, wie Henoch berichtet, wie können wir dann Gott wohlgefällig sein, wenn wir uns an Sachen erfreuen, die denen zugehören, welche dadurch Zorn und Strafe von Seiten Gottes herausgefordert haben?
Doch gesetzt auch, Gottes Vorsehung habe das alles bestimmt, er habe gestattet, daß Isaias gar nicht auf purpurne Kleider schelte, keine Haarfrisur eintreibe und die kleinen Halbmonde nicht mißbillige20), dann dürfen wir uns doch darum noch keine Einbildungen machen wie die Heidinnen, und Gott bloß für den Schöpfer, nicht auch für den Beaufsichtiger seiner Schöpfungen halten. Viel ersprießlicher und vorsichtiger würden wir handeln, wenn wir annehmen, Gott habe allerdings das alles hergerichtet und ins Dasein gerufen, aber in der Absicht, damit es Gelegenheiten gebe, woran sich die Sittenstrenge seiner Diener erproben könne, und damit bei der Erlaubtheit des Genusses Proben der Enthaltsamkeit abgelegt würden. Geben nicht weise Hausväter manchmal ihren Sklaven absichtlich Gelegenheit und Erlaubnis zu diesem oder jenem, bloß um zu sehen, ob und wie sie sich der gegebenen Erlaubnis bedienen werden, ob in der rechten Weise und mit Maß? Wie viel löblicher aber handelt der, welcher sich ihrer gänzlich enthält und die Nachsicht des Herrn mit Besorgnis betrachtet! 'žAlles", heißt |199 es, 'žist erlaubt, aber nicht alles frommt"21). Wer schon vor dem Erlaubten Scheu trägt, wird das Unerlaubte noch viel mehr fürchten.
11. Was für Ursachen habt Ihr denn eigentlich, geputzt einher zu gehen, da Ihr doch den Anlässen, die dergleichen fordern, fern stehet? Ihr besucht keinen Tempel, verlangt nicht nach Schauspielen und wißt nichts von den Festtagen der Heiden, Dergleichen Zusammenkünfte nämlich und das viele Sehen und Gesehenwerden sind es, um derentwillen aller Prunk öffentlich zur Schau gestellt wird, oder es geschieht auch, damit die Üppigkeit Anlässe finde und die Großtuerei sich breit mache. Ihr aber habt keine Veranlassungen zum Ausgehen, als nur gewichtige. Entweder wird ein kränklicher Glaubensgenosse besucht, das Meßopfer dargebracht oder es findet der Dienst des Wortes Gottes statt. Alle diese Dinge sind ernste und heilige Verrichtungen, wobei weder eine außergewöhnliche noch eine ausgesuchte oder üppige Kleidung notwendig ist, Und wenn Euch unausweichliche Freundschafts- oder Pflichtverbindungen zu den Heiden rufen, warum geht Ihr dann nicht lieber mit Euren Waffen angetan aus, um so mehr, da Euch der Weg zu außerhalb des Glaubens Stehenden führt? Dann wäre doch zwischen den Dienerinnen Gottes und des Teufels ein Unterschied! Ihr würdet ihnen ein gutes Beispiel geben, sie erbauen; Gott würde, wie der Apostel sagt, verherrlicht in Eurem Leibe22), Er wird aber verherrlicht am Leibe durch Ehrbarkeit, folglich also auch durch eine Kleidung, welche der Ehrbarkeit entspricht. Manche machen nun die Ausrede: Wenn wir etwas von unserm frühern Anzug und Schmuck entfernten, so würde unsere Religion gelästert werden, ---- Dann dürften wir auch unsere Laster nicht entfernen; wenn unser Aussehen dasselbe bleibt, so können auch unsere Sitten dieselben bleiben, und dann werden wirklich die Heiden nicht mehr schimpfen. Es ist wahrhaftig ein großer Schimpf, wenn es heißt: |200 Seitdem sie eine Christin geworden ist, geht sie viel ärmlicher gekleidet. Fürchtest du dich etwa, ärmlicher zu erscheinen, nachdem du reicher, schmutziger zu erscheinen, da du reiner geworden bist? Müssen wir Christen den Heiden oder Gott zu Gefallen leben?
12. Möchten wir keinen Wunsch haben als den, zu gerechtem Tadel keinen Anlaß zu bieten! Um wieviel mehr aber verdient es Tadel, wenn Ihr, die Ihr Priesterinnen der Keuschheit genannt werdet, nach Weise schamloser Weiber geputzt und angestrichen einhergehet! Was tun denn die unglücklichen Opfer der öffentlichen Lust weniger? Wenn sie auch durch gewisse Gesetze von den Auszeichnungen ehrbarer Frauen und Matronen ausgeschlossen wurden, so hat die Verkommenheit des Zeitalters, die alle Tage zunimmt, sie den ehrbarsten Frauen längst zum Verwechseln gleichgestellt. Indessen das Buhlen mit der Gestalt gesellt sich immer zu einem entweihten Körper, wie schon die Hl. Schrift andeutet, es gehört zu ihm und ist ihm angemessen. Jene feste Stadt, welche auf dem Berge und über den vielen Wassern thront, hat sich vom Herrn die Benennung Hure zugezogen23). Durch welche Kleidung ist sie zu dieser ihrer Benennung gekommen? Sie saß da, in Purpur und Scharlach, mit Gold und Edelsteinen, Wie verwerflich müssen die Dinge sein, ohne welche eine Verworfene und Prostituierte sich nicht beschreiben läßt! Thamar schien dem Juda, weil sie sich geschminkt und geschmückt hatte, in verdächtigen Absichten da zu sitzen24). Weil sie sich unter einem Schleier verbarg und sich lügnerisch das Aussehen einer feilen Dirne gab, so begehrte er ihrer als einer solchen, redete sie darauf an und machte einen Vertrag mit ihr. Daraus lernen wir, daß wir uns vor unsittlichen Zusammenkünften und derartigem Verdacht auf jede Weise hüten müssen. Denn warum sollte die Unschuld eines keuschen Gemütes durch den bei ändern erregten Verdacht befleckt werden? Warum sollte man mir |201 zutrauen, was ich verabscheue? Warum sollte nicht mein Charakter durch meine Kleidung gekennzeichnet sein, damit die Seele nicht durch das Ohr an der Ehrbarkeit Schaden leide? Man darf sich das Aussehen einer züchtigen Person geben, das einer unzüchtigen nicht.
13. Vielleicht möchte die eine oder andere einwenden: Ich habe nicht nötig, mich vor den Menschen zu bewähren; denn ich suche nicht das Lob der Menschen, sondern Gott sieht mein Herz25), ---- Das wissen wir alle; erinnern wir uns doch, was derselbe Gott durch seinen Apostel gesprochen hat: 'žEure Rechtschaffenheit sei kund allen Menschen!"26). Wozu? Doch nur, 'ždamit die Bosheit durchaus keinen Zutritt zu Euch habe" oder damit Ihr den Bösen zum guten Beispiel und Zeugnis dient. Oder was soll die Stelle heißen: 'žEure Werke sollen leuchten"27) ? Aus welchem Grunde nennt uns der Herr das Licht der Welt? Warum vergleicht er uns mit einer auf dem Berge liegenden Stadt, wenn wir nicht in die Finsternis hineinleuchten und unter Gesunkenen aufrecht stehen? Wenn du dein Licht unter dem Scheffel verbirgst, so müssen in der Finsternis viele über dich stolpern. Das ist es, was uns zu Leuchten für die Welt macht, unsere guten Werke, Das Gute aber, wofern es nur wahrhaft und vollkommen gut ist, liebt nicht die Verborgenheit, es läßt sich gern sehen und frohlockt selbst bei Tadel. Der christlichen Ehrbarkeit genügt es nicht, bloß vorhanden zu sein, sondern sie will auch gesehen werden. Denn so reichlich muß ihre Fülle sein, daß sie vom Geiste auch auf das Gewand ausströmt, vom Innern auf die Oberfläche überwallt und gleichsam draußen ihren Hausrat mustert, der zur beständigen Aufrechthaltung des Glaubens gehört. Denn fernhalten muß man sich von Vergnügungen, durch deren Verzärtelung und hingegossenes Wesen die Kraft des Glaubens entnervt werden könnte. Ich weiß nicht, ob Handgelenke, die mit Armbändern umgeben zu sein pflegen, |202 den Schauder der harten Kette ertragen würden. Ich weiß nicht, ob ein Fuß, der an Spangen gewöhnt war, sich würde in den Stock spannen lassen. Ich fürchte, daß ein Nacken, der mit Ketten von Perlen und Smaragden beladen ist, für das Richtschwert keinen Platz bieten wird.
Daher, meine Gesegneten, machen wir uns mit dem Gedanken an Härteres vertraut, und wir werden es nicht empfinden, verlassen wir die Ergötzlichkeiten, und wir werden sie nicht vermissen. Stehen wir da, jeder Gewalt gewärtig, nichts habend, das zu verlassen wir uns fürchten müßten. Es sind das Hemmnisse für unsere Hoffnung, Werfen wir die irdischen Zieraten von uns, wenn wir nach den himmlischen begehren! Lasset ab von der Liebe zum Golde, welches bei allen Fehltritten des Volkes Israel der stehende Tadel ist! Ihr müßt das hassen, woran Eure Väter zugrunde gegangen sind und was die von Gott Abtrünnigen anbeteten. Auch jetzt noch ist das Gold eine Speise für das Feuer.
Im übrigen aber sind die Zeiten für einen Christen stets, und jetzt ganz besonders, nicht nach Gold angetan, sondern das Eisen regiert, Märtyrergewänder werden vorbereitet und die Engel warten ihres Amtes als Träger, Tretet also hervor, mit den Farben und Abzeichen der Propheten und Apostel angetan, nehmt an von der Einfalt das Weiß, von der Züchtigkeit das Rot, die Schminke für Eure Augen sei die Schamhaftigkeit, für den Mund das Schweigen; Euren Ohren seien eingeprägt die Worte Gottes, auf Euren Nacken flechtet das Joch Christi! Senket das Haupt vor Euren Ehemännern, und Ihr werdet geputzt genug sein! Laßt die Hände nach der Wolle greifen und bannt die Füße innerhalb der Schwelle des Hauses fest, dann werdet Ihr mehr Gefallen erregen, als wenn Ihr in Gold einherginget! Kleidet Euch in den Seidenstoff der Rechtschaffenheit, in das Linnen der Heiligkeit und in den Purpur der Keuschheit! So angetan, werdet Ihr Gott zum Liebhaber haben.
1. 1) Nach der Konjektur von Fr. Junius und Scaliger: genae, der Text hat lanae.
3. 2) Tertullian macht hier ein Wortspiel mit mundus = Welt und Toilette und immundus, das im Deutschen nicht wiederzugeben ist.
4. 1) Ueber diese Toilettenkünste handelt das zweite Buch.
5. 2) Bei den Alten wurden die Bergwerks-Arbeiten vielfach von Verbrechern verrichtet.
6. 1) In der Öhlerschen Ausgabe fehlt non vor tamen.
7. 1) Diesen Satz hat Öhler aufgenommen. Andere Herausgeber lassen ihn als Einschiebsel weg. In der Tat stört er auch etwas, den Zusammenhang.
8. 1) Die Lesarten sind in dieser Stelle schwankend. Die Emendation von Rigaltius kommt wohl dem Richtigen am nächsten. Es scheint, daß eine Negation vor oder hinter excusat ausgefallen ist.
9. 2) Diese Stelle ist im Deutschen kaum wiederzugeben wegen des Wortspieles mit ambitio und ambire. Wir glauben einen erträglichen Ausweg zu finden in dem Ausdruck Streberei.
10. 1) Öhler liest nos posse, ein Druckfehler für non posse.
11. 1) 1 Mos. 12, 11 u. 26, 7.
12. 2) Ancillis Dei. Diese Konjektur von La Cerda wird wohl das Richtige enthalten, da Beziehungen auf die angeli Dei hier nicht vorliegen.
13. 1) Hier ist nicht mit Öhler ein Fragezeichen zu setzen.
15. 1) Nämlich des im Apolog. c. 7 erwähnten Vorurteils der Ödipodeischen Verbindungen.
17. 1) Collura oder caliendrum genannt.
19. 1) Um sie gelb oder purpurn zu färben.
20. 1) Als Haarschmuck, wie Isaias es 3, 18 ff. tut.
Übersetzt von Heinrich Kellner, 1912/1915. Übertragen durch Roger Pearse, 2002.
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